Pantomime für eine ruhigere Nachtruhe in den Ausgehvierteln ist gestartet
Sie schneiden Grimassen, bewegen sich durch die Schankvorgärten, setzen sich an Tische und nehmen nicht nur Blick-, sondern auch Körperkontakt auf. Alles ohne ein Wort. Den meisten Gästen ist schnell klar: Das sind Pantomimekünstler. Und einige ahnen bereits, warum sie hier agieren.
Die drei Frauen und zwei Männer sind Teil des Pilotprojekts "fair.kiez", das am 8. Mai seine Premiere feierte. Die Aktion soll zu mehr Ruhe auf den Kneipen- und Ausgehmeilen im Bezirk beitragen. Bis Mitte Juli sind 15 Einsätze geplant. Außer in der Simon-Dach-Straße auch an der Warschauer Straße und der Oberbaumbrücke, in der Falckenstein- und Schlesischen Straße sowie am Ostkreuz.
Getragen wird das Pantomime-Projekt von den Städtewerbern von visitBerlin, der Clubcommission sowie dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Sie finanzieren die Hälfte der Kosten von insgesamt 105 000 Euro. Die andere Hälfte kommt aus dem europäischen Regionalfonds Efre. Mit im Boot ist außerdem die bezirkliche Wirtschaftsförderung. Im Vorfeld wurden ähnliche Aktivitäten in Paris, Brüssel oder Barcelona unter die Lupe genommen.
Jetzt soll auch das Feierpublikum in Friedrichshain-Kreuzberg auf diese Weise zu mehr Rücksichtnahme animiert werden. Um das deutlich zu machen, hat eine Pantomimin ein Kissen dabei, auf das sie immer wieder ihren Kopf niedersenkt. Ihre Kollegen heben weggeworfene Gegenstände von der Straße auf und leuchten sie mit einer Taschenlampe an. Und natürlich geraten die Besucher in den Fokus.
Etwa Chris (24) aus dem englischen Sheffield, der mit einigen Freunden zu einem verlängerten Wochenende in Berlin ist. Sie und andere Touristen sind ohnehin eine wichtige Zielgruppe des Pilotprojekts. Die Briten reagieren zunächst etwas erstaunt, als sich die Pantomimen neben sie platzieren und ihnen auch im wahrsten Sinne des Wortes um den Bart streichen. Aber dann lassen sie sich auf den Spaß ein. Ob die Aktion allerdings ihr Ziel erreicht, daran hat Chris Zweifel, als er den Hintergrund erfährt. "Zum Feiern gehört nun einmal ein gewisser Geräuschpegel."
So ähnlich klingt das bei vielen Gästen. Einige sehen darin eine nette Abwechslung. Andere finden das Anliegen zwar wichtig, halten aber den Ort und den Zeitpunkt für einigermaßen deplatziert. Vor 22 Uhr sei die Simon-Dach-Straße nicht unbedingt ein Krawall-Hotspot. "Warum seid ihr nicht im Görlitzer Park?", fragt jemand provozierend.
Der frühe Auftritt war vor allem der Premiere geschuldet. In den kommenden Wochen werden die Pantomimen erst gegen 22 Uhr mit ihren Rundgängen beginnen, die bis etwa 4 Uhr früh dauern sollen. Auf Einwände einzugehen und auch zu informieren ist die Aufgabe der sogenannten Mediatoren, die die Darsteller begleiten. Uta Görlitz (28), Sozialpädagogin und Ergotherapeutin ist eine von ihnen. "Wir sprechen die Leute an, erklären ihnen, worum es hier geht und machen sie darauf aufmerksam, dass in den umliegenden Häuser Menschen wohnen, die ihre Nachtruhe wollen." Wichtig seien Fingerspitzengefühl und das Schaffen einer entspannten Atmosphäre. Zum Auftakt war das noch einfach. Die Pantomimen spulen professionell ihr Programm ab. Alle sind Absolventen der Kreuzberger Schauspielschule "Die Etage", wo die nonverbale Darstellung wichtiger Teil des Unterrichts ist. Auch wegen des großen Medieninteresses wird der Zug durch die Simon-Dach-Straße bisweilen zu einem Happening. Einige zunächst peinlich berührte Probanten werfen sich auf einmal in Pose. Handys werden für Fotos gezückt. Auch manche Passanten bleiben stehen. "Wie krass ist das denn?", entfährt es einem.
So entspannt wird das sicher nicht immer ablaufen. Nachts um 2 Uhr an der Warschauer Brücke, wenn dann nur je zwei Pantomimen und Mediatoren unterwegs sind, ist wahrscheinlich mit einer anderen Szenerie zu rechnen. "Wir können bestimmt nicht alle Konflikte befrieden", sagt denn auch Malena Medam von der Clubcommission, die fair.kiez federführend betreut. Vielmehr gehe es um kleine Veränderungen, um einen Anfang. Bis Juli wird sich zeigen, wie weit die Pantomimen kommen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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