Baumscheibe im Behördendschungel: Annett Elsner kämpft um ihr Straßenbiotop
Die Mühsamstraße kommt zunächst wie eine x-beliebige Straße daher. Erst beim genaueren Hinsehen wird eine Besonderheit deutlich
An vier Stellen im Bereich zwischen Petersburger Platz und Richard-Sorge-Straße sind Baumscheiben liebevoll bepflanzt. Oder besser: derzeit nur drei. Der vierten machen die aktuellen Leitungsarbeiten in ihrem Umfeld zu schaffen. An den übrigen wachsen Himbeeren, Brombeeren oder Johannisbeeren, blühen Osterglocken.
Verantwortlich für diese Biotop ist Annett Elsner. Eines ihrer kleinen Naturreservoire macht ihr aber derzeit Probleme. Es soll verschwinden. Der Zaun, den sie um das Pflanzengehege angebracht hat, entspreche nicht der Vorschrift. Annett Elsner sieht das nicht ein und kämpft für den Erhalt der Schutzvorrichtung. Sie solle "legalisiert" werden, so ihre Forderung bei einem Auftritt im Ausschuss für Umwelt und Verkehr.
Sie habe diese Baumscheibe deshalb eingezäunt, damit ihr von Autos keine Gefahr drohe, argumentierte die Anwohnerin. Auch als Hundeklo könne sie so nicht missbraucht werden. Natürlich hätte sie vor den Gitterarbeiten zunächst den Untergrund untersucht. Und das Erdreich auch nur vorsichtig bewegt. An dieser Stelle wäre das Hindernis aber alternativlos. Bei anderen Scheiben griff sie auch zum Beispiel auf Baumstümpfe zwecks Abhalten ungebetener Besucher zurück.
Die Vorgabe zum Entfernen kam vom Ordnungsamt. Normalerweise schenken die Kiezstreifen den kleinen Naturerfahrungsräumen im Straßenland wenig Beachtung. In diesem Fall musste das Amt aber tätig werden, denn es lag eine Anzeige vor. So geriet die Baumscheibe in den Behördendschungel. Dass die Aufforderung zum Entfernen des Zaunes bisher nicht rigide umgesetzt wurde, sei wahrscheinlich auch den aktuellen Bauarbeiten zu verdanken, vermutet Annett Elsner. Ihre Gegenreaktion: vor allem im Ausschuss. Dort gab es nahezu parteiübergreifende Unterstützung. Anträge wurden zitiert, bei denen weitgehende Beinfreiheit für Baumscheibenpaten beschlossen wurde. Expertisen des Grünflächenamtes angefordert, um den Zaun als Bestandteil des Gesamtkunstwerks zu werten. Denn, so wurde angemerkt, selbst Bäume in Verantwortung der öffentlichen Verwaltung würden bisweilen auf diese Weise geschützt. Auch wenn die Sache mit dem Zaun grundsätzlich eine Berechtigung habe. Dadurch soll verhindert werden, dass aus der Baumscheibe eine Art Vorgarten wird.
Das alles lieferte Annett Elsner Munition, um für weitere Auseinandersetzungen gewappnet zu sein. Sie hat sich auch die Anträge inzwischen genau durchgelesen und erhofft sich schon dadurch einen Befreiungsschlag. So wie es aussieht, wird sich ihr Problem deshalb in Wohlgefallen auflösen. Den Verursacher dafür glaubt sie zu kennen. Die Himbeeren und Brombeeren könnten dann weiter wachsen. Von denen blieb schon bisher wenig für ihre Familie übrig. Andere hatten sich an dem essbaren Biotop bedient.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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