Branko und die besten der Welt: Abiturient nimmt an der Mathe-Olympiade in Rio teil
Friedrichshain. Branko Juran steht für Zuverlässigkeit und gepflegte Zurückhaltung. Er ruft ziemlich schnell zurück, nachdem die Bitte um ein Treffen bei seiner bisherigen Schule eingegangen ist. Bei dem Termin ist er konkret, routiniert, aber fast durchgehend rational.
Typisch Mathematiker, könnte man sagen. So als würde der 18-Jährige das erneute Messen mit den weltweit besten Jugendlichen seines Fachs auch in der allgemeinen Dimension als große Gleichung mit einigen Unbekannten betrachten. Erst im weiteren Verlauf lässt er erkennen, dass dabei einige Emotionen mitschwingen.
Aber der Reihe nach. Branko Juran, der gerade am Heinrich-Hertz-Gymnasium sein Abitur abgelegt hat, fliegt am 15. Juli zur Mathe-Olympiade nach Rio de Janeiro. Er gehört zum sechsköpfigen deutschen Team, das in der brasilianischen Metropole um Medaillen kämpft. Jeder für sich, erst am Ende gebe es eine Art Nationenwertung, sagt Branko. Also ganz ähnlich wie bei den sportlichen olympischen Spielen. Überhaupt reizen erst einmal Analogien mit der Welt der Leibesübungen, etwa dem Fußball. Die Mathe-Auswahl bildet die Nationalmannschaft, das Heinrich-Hertz-Gymnasium, mathematisch-naturwissenschaftliche Vorzeigeschule, ist eine Art Bayern München und Branko Juran einer seiner Leistungsträger. So wie früher Philipp Lahm oder heute Jerome Boateng.
Aber nicht alles, was hinkt ist ein Vergleich. Für die Mathe-Olympiade müsse sich jeder Teilnehmer jedes Jahr von neuem qualifizieren, stellt der Abiturient klar. Das gehe über verschiedene Auswahlverfahren mit Tests und Seminaren, bei denen aus Kandidaten in zunächst dreistelliger Zahl dann 16 und am Ende das halbe Dutzend Vertreter ausgesiebt werden. Dass vier aus dem aktuellen Kader bereits im vergangenen Jahr beim Mathe-Weltcontest in Hongkong dabei waren, spricht wahrscheinlich für deren Klasse. Einer von ihnen war Branko Juran. Er ist der einzige Vertreter aus Berlin. Die meisten stellt das Bundesland Bayern mit drei Teilnehmern.
Sein Aufstieg in die Mathe-Elite lief, ebenso wie bei anderen Mitbewerben, über erfolgreiche Teilnahmen bei nationalen Ausscheiden. Etwa 2015, als er einer der Preisträger beim Bundeswettbewerb Mathematik wurde. Schon damals gab es über ihn einen Bericht in der Berliner Woche.
Wegen seiner Erfahrungen aus Hongkong kann sich Branko Juran einigermaßen vorstellen, wie die Tage in Rio verlaufen werden. Nach der Ankunft, dem Bewältigen des Jetlags und der Eröffnungsfeier werden die Teilnehmer dann zwei Tage lang, jeweils viereinhalb Stunden, über ihren Aufgaben brüten. Die kommen aus den Bereichen Algebra, Geometrie, Zahlentheorie und Kombinationstechnik. Rund 600 Medaillenanwärter aus mehr als 100 Ländern sind am Start. Wer eine bestimmte Punktzahl erreicht, wird mit Edelmetall ausgezeichnet. 2016 in Hongkong holte Branko bereits Bronze. Natürlich seien die Aufgaben ambitioniert, schließlich wären hier die besten Cracks rund um den Globus versammelt. Aber schon das mache die Veranstaltung spannend und außergewöhnlich.
Das ist auch der Moment, wo Branko Juran einige Emotionen erkennen lässt. Wenn er von Kontakten mit anderen Teams berichtet, wie im vergangenen Jahr mit den Israelis oder den Franzosen. Wenn er erzählt, dass mit der britischen Equipe nach dem Brexit-Votum eine Art Europa-Verbrüderungsfeier stattgefunden hat. Oder wenn die syrischen Teilnehmer die Deutschen um ein Selfie baten, "weil doch viele unserer Landsleute jetzt bei euch sind". Nur zu den Nordkoreanern habe es keine Verbindung gegeben. Wahrscheinlich deshalb, weil eines ihrer Teammitglieder die Mathe-Olympiade zur Flucht genutzt hat. Berichte, die zeigen, dass es für Branko Juran noch eine Welt außerhalb der Mathematik gibt. Auch sein Abischnitt von 1,0, den er nur beiläufig erwähnt, weist darauf hin. Zeit, um Rio kennen zu lernen, will er sich ebenfalls nehmen. "Ich war ja noch nie in Südamerika."
Studieren wird Branko Mathematik und zwar ab Herbst in Bonn. Die Universität gilt als eine Hochburg dieses Fachs. Dort unterrichtet auch Peter Stolze, ebenfalls Heinrich-Hertz-Absolvent, der 2012 mit 24 Jahren Deutschlands jüngster Mathematik-Professor wurde.
Was er mache, habe erst einmal nichts mit rechnen zu tun, ist Branko Juran noch wichtig. Es gebe auch Treffen der weltbesten Kopfrechner, das sei aber eine andere Veranstaltung. Sein Gebiet wäre das Lösen von Problemen innerhalb des riesigen Universums von Zahlen und Figuren. Das habe manchmal einen ganz realen Bezug.
Nach dem Ende des Termins in einem Café unweit seiner ehemaligen Schule wünscht ihm die Bedienung viel Glück. Sie kennt Branko Juran nicht nur als Gast. "Mit anderen zusammen habe ich ihre Kasse programmiert", erzählt er beim Hinausgehen. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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