Der Brexit war der letzte Auslöser
Damon Allen ist jetzt Deutscher
16 Frauen und Männer nahmen am 8. Oktober an der Einbürgerungsfeier des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg teil. Sie stammten aus 14 verschiedenen Herkunftsländern.
Drei von ihnen kamen aus dem Vereinigten Köngreich von Großbritannien und Nordirland. Einer davon war Damon Allen. Die kurze Feier hat ihm gut gefallen. Das Annehmen einer neuen Staatsbürgerschaft wäre natürlich ein besonderer Moment, meint er. "Ich werde diesen Tag nicht vergessen."
Dabei ist Damon Allen alles andere als fremd in seinem nun auch amtlichen Heimatland. Seit 26 Jahren lebt er in Berlin, seit sechs Jahren in Friedrichshain. Er ist mit einer Deutschen verheiratet und hat zwei Kinder, die Bundesbürger sind. Deshalb habe das Thema Einbürgerung immer wieder eine Rolle gespielt, erzählt der 49-Jährige, der aus einem Vorort von London stammt. Dazu kam, dass er als im Ausland lebender Brite auf der Insel kein Wahlrecht mehr hatte. Schon dadurch fühlte sich Damon Allen von seinem Geburtsland abgenabelt. Ohne deutschen Pass konnte er hier wiederum weder über die Zusammensetzung des Bundestags, noch des Berliner Abgeordnetenhauses mitentscheiden. Lediglich bei Wahlen zum Europäischen Parlament und auf Bezirksebene hatte er Stimmrecht. Als Bürger der Europäischen Union.
Womit wir beim "Auslöser" wären, der auch Damon Allen endgültig dazu veranlasst hat, deutscher Staatsbürger zu werden – dem Brexit. Den Austritt der Briten aus der EU wollte er nicht mitgehen und hält ihn für einen großen Rückschritt.
Damon Allen ist mit dieser Meinung kein Einzelfall. Nicht nur bei der Einbürgerungsfeier am 8. Oktober, sondern insgesamt stellen Briten derzeit prozentual auch in Friedrichshain-Kreuzberg das Gros der Neudeutschen. Der Zusammenhang mit dem EU-Exodus liegt auf der Hand. Viele sehen deshalb Nachteile auf sich zukommen, etwa bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit.
Für Damon Allen war das nicht der ausschlaggebende Grund. Er wertet den Brexit vielmehr als entscheidenden Punkt einer schon zuvor schwindenden Identifikation mit seinem Herkunftsland. Bereits während der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 sei ihm das bewusst geworden. Da habe sich Großbritannien nur bereit erklärt, 20 000 Geflüchtete innerhalb von fünf Jahren einreisen zu lassen. Während Deutschland in kurzer Zeit rund einer Million Menschen Aufnahme bot. Bei allen Problemen wäre das eine große humanitäre Geste gewesen, meint Damon Allen. Und ein weiterer Anlass, dieses Land als seines zu betrachten.
Was ihm bereits zuvor nicht schwer gefallen ist. Einst sei sein Plan gewesen, ein halbes Jahr in Berlin zu bleiben und Deutsch zu lernen. Aber dann habe ihn die Stadt fasziniert. Zu seinem britischen Bachelor in Politik erwarb er an der Humboldt-Universität noch einen Magister, arbeitete unter anderem als Korrespondent für Zeitungen und seit vielen Jahren in der Berliner Repräsentanz der OECD, der Internationalen Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung.
Bei diesem Werdegang war auch nicht besonders schwierig, die Vorgaben für eine Einbürgerung zu erfüllen. Etwa den Fragebogen zu beantworten, bei dem das Wissen über Staatsaufbau, Geschichte und Gesellschaft getestet wurde. Die Sprachprüfung wurde ihm ohnehin erlassen. Am meisten Arbeit musste für das Beibringen verschiedener Dokumente aufgewendet werden, von der Geburtsurkunde bis zum Versicherungsnachweis. Das gesamte Procedere habe ungefähr ein halbes Jahr gedauert.
Aber auch wenn er sich hier schon seit Jahrzehnten heimisch fühlt, war es nicht trotzdem ein ziemlicher Schritt, die ursprüngliches Herkunft hinter sich zu lassen? Natürlich, sagt Damon Allen. Wobei er das ja gar nicht vollständig getan habe. Dafür sorgt seine jetzt doppelte Staatsbürgerschaft, die die Bundesrepublik speziell bei EU-Bürgern erlaubt. Was übrigens ebenfalls eine Ursache dafür war, sich noch vor dem Brexit-Vollzug um einen deutschen Pass zu kümmern. Und bei aller Kritik müsse er sich für das Vereinigte Königreich auch nicht schämen, meint Damon Allen. Das Land sei eine Demokratie, achte die Menschenrechte und gehöre zur freien Welt. In der Mentalität wären sich seine beiden Länder ohnehin sehr ähnlich. Den größten Unterschied macht er beim Humor aus. Wenn der persönlich werde, verstünden die Bundesbürger weniger Spaß.
Was dazu führt, weitere Klischees anhand seiner Person zu überprüfen. Etwa beim Essen. Lieber Schweinebraten mit Sauerkraut oder Fish and Chips? Das britische Fischgericht wäre, wenn gut zubereitet, sehr schmackhaft, könne aber auch eine ungenießbare Pampe sein, so Damon Allens Erfahrung. Bei deutscher Kost, nicht nur dem Schweinebraten, sei dagegen fast durchgehend von einer gewissen Qualität auszugehen. Musikgeschmack? Adele oder Helene Fischer? Er lacht. "Keine von beiden." Bei deutschen Klängen lieber Bands wie "Kraftwerk" oder "Element of Crime". Und wer hat beim Fußball jetzt seine Sympathie, wenn Deutschland gegen England spielt? Da gelte die Vorgabe, die er einst seinen Kindern vermittelte: "Möge der bessere gewinnen."
Wobei das, was er in Deutschland am meisten vermisst, ebenfalls im Bereich des Sports angesiedelt ist, nämlich eine Cricketkultur. Das Spiel sei hier wenig bekannt und habe noch weniger Anhänger oder gar Aktive. Vor einigen Jahren wäre er auf einen Hinweis zu einem Cricket-Training gestoßen und hingegangen. Dort trafen sich Briten, Inder und Menschen aus Pakistan. Aber keine Deutschen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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