Die Erinnerungen an die friedliche Revolution prägen
Beides ist für die 72-Jährige nicht zu trennen. Die Erfahrungen während der friedlichen Revolution seien der Anfang für ihr heutiges Engagement gewesen. Sie hätten gezeigt, dass sich Dinge verändern lassen.
1984 beginnt Edeltraud Pohl ihre Arbeit als Sekretärin von Pfarrer Rainer Eppelmann in der Samariterkirche. Unter Eppelmanns Ägide war die Gemeinde bereits zu dieser Zeit ein Zentrum der DDR-Opposition. "Es existierte dort eine völlig eigene Welt". Wohin Edeltraud Pohl gut passte. Denn Ärger mit dem System hatte auch sie bereits. Etwa wegen Schikanen, unter denen ihre drei Kinder zu leiden hätten.
1989 war Edeltraud Pohl agierende Zeitzeugin. Etwa bei der manipulierten Kommunalwahl im Mai, als sie mit anderen die Auszählung der Stimmzettel überwachen wollte und daran gehindert wurde. Auch nach der niedergeschlagenen Studentenbewegung in Peking im Juni hätte sich weiterer Protest artikuliert. Und dann der Herbst mit dem Mauerfall als Höhepunkt.
"Diese Nacht habe ich am Fernseher erlebt", sagt Edeltraud Pohl. Spät am Abend sei sie von einer Veranstaltung in der Kirche nach Hause gekommen. "Die Mauer ist auf", sagte mein Mann. Am nächsten Morgen ging sie über die Grenze und besuchte ihren Bruder in Zehlendorf.
Von Samariter ging in diesen Tagen auch die Gründung einer neuen Partei namens Demokratischer Aufbruch aus, die vor allem Rainer Eppelmann und der Rechtsanwalt Wolfgang Schnur betrieben wurde. Hier begann auch die politische Karriere einer jungen Physikerin. Ihr Name: Angela Merkel. Aus Pfarrer Eppelmann wurde ebenfalls ein Politiker. Er saß zunächst am Runden Tisch und wurde später Abrüstungs- und Verteidigungsminister in der ersten und letzten frei gewählten DDR-Regierung. Den Demokratischen Aufbruch führte er mit der Wiedervereinigung in die CDU, was ihm viele Mitstreiter in der Gemeinde übel nahmen.
Auch Edeltraud Pohl hat damals nicht alle Wendungen ihres früheren Chefs verstanden. Noch schwerer getroffen hat sie aber das Auffliegen von Wolfgang Schnur als Stasi-Spitzel. Nicht nur durch ihn hatte die Staatssicherheit einen tiefen Einblick in das Treiben der Gemeinde. "40 Spitzel waren auf uns angesetzt und die Räume und Telefone waren verwanzt", erfuhren Edeltraud Pohl und andere Mitglieder später beim Lesen ihrer Akten.
Ihre neue Aufgabe stand bereits1990 im wahrsten Sinne des Wortes vor der Tür. Flüchtlinge, die um Hilfe baten. Sie kamen zunächst aus der ehemaligen Sowjetunion, später aus Ex-Jugoslawien und dann, gerade wieder aktuell, viele Afrikaner. Als Beauftragte für Ausländerarbeit kümmert sich Edeltraud Pohl seither um Unterkunft und Behördengänge, aktiviert Ärzte und Anwälte, sammelt Spenden und wenn nichts anderes hilft, stellt sie auch Kirchenasyl zur Verfügung. Jeder, oft mühsam erzielte Erfolg animiere sie zum Weitermachen.
Gerade viele Flüchtlinge würden sich oft sehr für die Ereignisse vor 25 Jahren interessieren, hat sie festgestellt. Mehr als häufig die neu Zugezogenen. "Ich wünsche mir, dass die Geschichte unserer Gemeinde nicht vergessen wird." Auch außerhalb von Jubiläumsfeiern wie in diesem Jahr.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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