Kontrolleure, Ratgeber, verbaler Müllabladeplatz: Mit einer Kiezstreife unterwegs

Erfahrung in Sachen Ordnung: Jacqueline M. und Michael G. machen ihren Job seit über zehn Jahren. | Foto: Thomas Frey
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Friedrichshain-Kreuzberg. Für die einen sind sie nicht präsent genug, für andere nur Spaßbremsen. Und wer bei einer Übertretung erwischt wird, reagiert nicht selten mit Attacken weitab üblichen Umgangs.

Aber wie agieren die Außendienstmitarbeiter des Ordnungsamtes bei ihren täglichen Streifen? Herauszufinden ist das am besten als Begleiter. Zwei Stunden unterwegs mit Michael G. (51) und Jacqueline M. (47).

Die Bitte, eine Kiezstreife bei der Arbeit zu beobachten, wurde schnell erfüllt. Wahrscheinlich, weil auch der zuständige neue Stadtrat Andy Hehmke (SPD) diesen Wunsch geäußert hatte. Er war bei der Tour ebenso mit dabei wie Gerhard Nissen, stellvertretender Leiter der Abteilung Außendienst. Befürchtungen, dadurch ergebe sich vielleicht eine gefilterte Realität, haben sich nicht bestätigt. Schon weil die Probleme deshalb ja nicht verschwinden.

Zu ihnen gehört das unvorschriftsmäßige Abstellen von Autos, vorgeführt am Extrembeispiel Oranienstraße. An Kreuzungen und Ladezonen, selbst auf einem Behindertenparkplat, werden die Fahrzeuge abgestellt. Das Auftauchen der Ordnungskräfte bringt einige Pkw-Halter in Bewegung. Er habe nur kurz gestoppt, versichert einer. Ein weiterer Falschparker kann sein Knöllchen nicht mehr verhindern. Er sieht dadurch seinen Stellplatz gesichert und wandert wieder in ein Lokal. "Ein Strafzettel ist kein Parkschein", stellt Michael G. klar.

Sie könnten ihren Dienst mit dem Ahnden von Übertretungen nur auf diesen wenigen Metern zubringen, meinen die beiden Vertreter der Außendienstfront. Aber das sei aktuell nicht machbar.

Derzeit hat das Ordnungsamt 26 Kiezstreifen. Sie verteilen sich auf zwei Schichten an jedem Werktag. Abzüglich Krankheit, Urlaub oder Fortbildungen bleiben pro Schicht meist drei Doppelstreifen für den gesamten Bezirk übrig. Für eine optimale Kontrolle wären 90 Kollegen nötig, rechnen Jacqueline M. und Michael G. vor. "Das ist natürlich 'Wünsch dir was'". Immerhin, fünf neue Stellen soll es demnächst geben.

Martial aufzutreten ist, wenn überhaupt, nur eine Rolle im Darstellerprofil. Es geht mehr um Fingerspitzengefühl. Die beiden wechseln von streng zu großzügig, hilfsbereit und Grenzen setzend. Papa und Kind, die auf dem Gehweg der Adalbertstraße radeln, werden gebeten, auf die Straße auszuweichen. Die Zweiradpilotin, die das Trottoir der Reichenberger Straße nutzt, kommt dagegen um eine Personalaufnahme nicht herum.

Es gebe einen Ermessensspielraum, und manchmal sei eine Ermahnung zielführender, meint das Duo. Auch bei dem Kleintransporter in zweiter Reihe. "Sie können hier nicht parken", sagt Michael G. "Ich bin Lieferservice", erklärt der Mann. "Geht trotzdem nicht." Das Gesicht des Lieferanten zeigt Anzeichen eines nahenden Verbalgewitters. "Fahren Sie kurz vor die nächste Einfahrt", leitet G. den Witterungsumschwung ein. "Aber bitte pronto." Die Miene hellt sich auf. "Danke".

Im weiteren Verlauf werden die Kiezstreifen mit Unrat an einem Grundstück an der Reichenberger Straße und freilaufenden Vierbeinern im Görlitzer Park konfrontiert. Auch mit einem Kampfhund, den es eigentlich nicht mehr geben dürfte. Er führe das Tier nur aus, sagt der Begleiter. Wie heißt der Besitzer? Adressenangaben und Abgleiche folgen. Wie sich herausstellt, wird das ein Fall für das Veterinäramt in Neukölln.

Das sind nur einige Beispiele der täglichen Arbeit und des Vorgehens gegen kleine und große Grenzüberschreitungen. Lichtblicke werden besonders aufmerksam registriert. Etwa wenn viele Gastwirte inzwischen die Vorgabe erfüllen, die Gehwege nicht mehr vollzustellen.

Dass sie nicht überall gleich gut gelitten sind, ist Jacqueline M. und Michael G. klar. Eher freundlich sei die Stimmung in Wohngebieten, in Ausgehmeilen würden sich Sympathie und Antipathie die Waage halten. "Am wenigsten beliebt sind wir in den Parks."

Auch für ihre Kunden haben sie eine Negativhitparade parat. Ganz vorn rangieren hier die Radfahrer. Bei denen zeige sich das geringste Unrechtsbewusstsein. Es folgen Falschparker, Hundebesitzer, den geringsten Stress gebe es mit Grillern.

Der Job mache ihnen Spaß, beteuern die beiden. Ihr Wunsch wäre eine größere Akzeptanz. Sie seien nicht dazu da, Menschen zu schikanieren, sondern um für einen einigermaßen konfliktfreien Umgang zu sorgen.

Erst am Ende der Tour wird jemand ausfällig. Ein Gastronom an der Görlitzer Straße will nicht einsehen, dass sein falsch abgestelltes Auto Konsequenzen hat. "Das ist nicht euer Ernst", meint der Mann zunächst. Danach folgt die Aufforderung, sie sollten sich um die wichtigen Dinge kümmern, ehe es beleidigend wird: "Was kann ich dafür, dass Du keine Alte hast", pöbelt er in Richtung Michael G.

Der und seine Kollegin nehmen die Attacken ruhig hin. Für ihren Kontrahenten könnte der Auftritt Konsequenzen haben, denn Angriffe, ob verbal oder tätlich, werden vom Ordnungsamt angezeigt. Die Folge sind inzwischen meist hohe Geldstrafen, manchmal sogar Fahrverbote.

Sein schlimmstes Erlebnis sei gewesen, als ihn eine alte Frau geohrfeigt habe, erzählt Michael G. Jacqueline M. erinnert sich, dass sie schon mit dem Spruch "Ihr seid so drauf, wie die Leute früher in Deutschland" belegt wurde. Das hätte damals nicht einmal für eine Klage ausgereicht. tf

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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