Projekt des Kulturrings erinnert an Frauenpersönlichkeiten im Bezirk
Friedrichshain-Kreuzberg. Inge Meysel kennt wahrscheinlich jeder. Eleonore Wilhelmine Ottilie Beschort wahrscheinlich die wenigsten. Dabei haben beide im Bezirk ihre Spuren hinterlassen.
Sie gehören zu insgesamt rund 100 "Frauenpersönlichkeiten in Friedrichshain-Kreuzberg", die der Kulturring in Berlin im Rahmen eines Onlineprojekts jetzt in Kurzbiografien vorstellt. Auf der Website: www.kulturring.org/frauenpersoenlichkeitenkönnen die Portraits nachgelesen werden.
Unterteilt sind sie in zwei Kategorien. Bei "Frauen im öffentlichen Raum" geht es um Namen, die sich heute auf Straßenschildern oder an Schulen finden lassen. Nicht immer ist dabei eine direkte Verbindung zu Friedrichshain-Kreuzberg gegeben. Etwa bei Rosa-Parks (1913-2005). Die amerikanische Bürgerrechtlerin war zwar nie hier, aber die ehemalige Niederlausitz-Grundschule in der Reichenberger Straße heißt seit 2012 Rosa-Parks-Grundschule. Ausgedrückt wird damit die Haltung und der Vorbildcharakter, der von dieser Frau ausging.
Auf den Barrikaden
Bei anderen Beispielen gibt es dagegen sowohl einen lokalen Bezug, als auch eine öffentliche Würdigung. So im Fall von Tamara Danz (1952-1996). Die Sängerin der Band "Silly" studierte einst an der Musikschule Friedrichshain, seit 2006 trägt eine Straße auf dem Anschutz-Areal ihren Namen. Ähnliches gilt für Pauline Staegemann (1838-1909), eine der ersten Repräsentantinnen der Berliner Arbeiterbewegung, die in der Landsberger Allee einen Gemüsekeller betrieb. 2011 wurde eine bis dahin namenlose Verbindung von der Mollstraße in den Barnimkiez nach ihr benannt.
An andere Frauen erinnern Grabsteine auf Friedrichshain-Kreuzberger Friedhöfen. Henriette Fuchs, geborene Rost, ist eine von drei weiblichen Opfern, die sich auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Volkspark Friedrichshain finden. Sie war die Frau Seidenwirkers aus der Großen Frankfurter Straße und starb bei den Barrikadenkämpfen in Berlin am 18. März 1848, die den Anfang der Revolution in der Stadt markierten. Bei ihrem Tod war sie 63 Jahre alt und hinterließ vier Kinder.
Schon diese Beispiele zeigen, dass sich der Streifzug durch die Frauengeschichte des Bezirks über verschiedene Epochen erstreckt und Vertreterinnen aus ganz unterschiedlichen Gebieten berücksichtigt wurden. Das gilt auch für die Rubrik "Frauen in der Gesellschaft". Sie widmet sich Persönlichkeiten, die hier gelebt oder agiert haben, ihr Wirken aber bisher keine Würdigung im öffentlichen Raum gefunden hat.
Tafel am Krankenhaus
Oder nicht mehr, wie bei Eleonore Wilhelmine Ottilie Beschort (1812-1881). Ihr zu Ehren gab es einst eine Tafel im Urban-Krankenhaus, die aber schon lange verschollen ist. Denn sie gilt als Begründerin dieser Klinik. Die Tochter des Hofschauspielers und Sängers Friedrich Jonas Beschort und seiner Frau Wilhelmine Karoline vermachte ihr Vermögen in Höhe von 600.000 Mark als Stiftung für ihren Bau. Allerdings nur unter bestimmten, ihrer Moral geschuldeten, Voraussetzungen. Personen, die an Syphilis erkrankt waren sollten dort ebenso wenig behandelt werden, wie Alkoholiker oder "Tobsüchtige", also psychisch Kranke. Vorgaben, an die sich aber schon 1890, bei der Eröffnung nicht gehalten wurde.
Von ihr zu Inge Meysel ist es ein weiter Weg. Und was wahrscheinlich auch die wenigsten wissen - die bekannte Schauspielerin (1910-2014) wuchs in der Kadiner Straße auf, besuchte die heutigen Ludwig-Hoffmann-Schule und erhielt ihre ersten Bühneneindrücke als Besucherin von Märchenvorstellungen im Rose-Theater an der heutigen Karl-Marx-Allee.
Auftrittsverbot
Inge Meysel hatte eine jüdische Großmutter und deshalb während der Nazizeit Auftrittsverbot. Andere Frauen wurden als Gegnerinnen der NS-Diktatur hingerichtet, wie Ursula Goetze, die in der Hornstraße wohnte. Und viele von ihnen waren vor ihrem Tod im Frauengefängnis in der Barnimstraße inhaftiert.
Auch ihnen hat Elfriede Brüning ein literarisches Denkmal gewidmet. An der Biografie der 2014 im Alter von fast 104 Jahren verstorbene Schriftstellerin lassen sich viele Schrecken, Wege und auch Irrwege des 20.Jahrhunderts festmachen. Ihre ersten Artikel veröffentlichte sie noch in der Endphase der Weimarer Republik im damals berühmten "Berliner Tageblatt". Nach 1933 saß sie als kommunistische Widerstandskämpferin zeitweise ebenfalls in der Barnimstraße. In der DDR fanden ihre Bücher, die sich oft mit Frauenschicksalen beschäftigten, beim Publikum großen Anklang. Funktionäre stießen sich dagegen immer wieder an den Beschreibungen der eigentlich loyalen Genossin. Zuletzt lebte Elfriede Brüning in einem Seniorenwohnheim in der Koppenstraße.
Nur einige Beispiele, die zeigen, dass sich das Lesen dieser Kurzbiografien lohnt. Einige davon sind Auszüge aus bereits veröffentlichten Büchern, andere Lebensbeschreibungen wurden extra für diese Website verfasst. Das einzige was etwas ärgerlich ist - manche Dateien ließen sich, zumindest in den ersten Tagen, nicht herunterladen. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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