Offensive Okkupanten
Freibeuter-Besetzer stellen ihre Pläne vor

Nach den säumigen Zahlern kamen die Besetzer: der Freibeuter im Oktober 2018. | Foto: Thomas Frey
  • Nach den säumigen Zahlern kamen die Besetzer: der Freibeuter im Oktober 2018.
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Sarah Waterfeld spielt in einer anderen Liga als die Gesellschaft Spreewohnen in Gründung. Dass an solche Leute das Schiff einst verkauft worden sei, könne sie nicht nachvollziehen, so ihre Einschätzung.

Spreewohnen hatte das ehemalige Jugendfreizeitschiff Freibeuter in der Rummelsburger Bucht vor zwei Jahren erworben, war aber den Preis von 225 000 Euro schuldig geblieben. Sarah Waterfeld und weitere Gesinnungsgenossinnen und -genossen haben sich erst gar nicht mit solchen profanen Dingen wie Aneignen einer Ware mit Hilfe von Geld befasst. Sie haben den Kahn im Nachgang des Spreewohnen-Abgangs besetzt. Er segelt seit Mitte Oktober unter der Flagge mehrerer Initiativen und Aktivisten. Sie kommen zum Beispiel aus dem Bereich der ehemaligen Okkupanten der Volksbühne. So auch "Staub und Glitzer", wo Sarah Waterfeld verortet ist. Also sozusagen Profis im Aneignen von Immobilien.

Ebenfalls vertreten seien eine polnisch-deutsche Kooperation mit Obdachlosen und Gehörlosen und die "Kulturkombüse", die für "Volx- und mobile Verköstigung" sorge, die speziell Bedürftigen zu Gute kommen soll.

Raum für Kultur- und Sozialprojekte

Diese und andere Vertreter wollen das Schiff wieder flott machen. Der Freibeuter stehe für dringend benötigen Freiraum verschiedener Kultur- und Sozialprojekte. Gerade auch im Bereich Jugendarbeit, seiner ursprünglichen Bestimmung. Dort wollen die Besetzer aktiv werden beziehungsweise hätten bereits erste Veranstaltungen verwirklicht. Auch um ein gepflegteres Umfeld auf und um das Schiff würden sie sich kümmern, Interessenten eine offene Tür bieten. Und weil sich regelmäßig Menschen an Bord befinden, halte das wiederum andere Eindringlinge vom Okkupieren ab. Eine Nachtwache schütze es vor dem Entern durch Personen ohne Bleibe.

Was Sarah Waterfeld und ihre Mitstreiter deshalb möchten, ist zunächst einen befristeten Verbleib. Der solle so lange anhalten, bis sie sich einen Überblick verschafft hätten, was an Bord möglich wäre. Sollten sie ihre Pläne nicht verwirklichen können, würde die Besetzung beendet.

Das alles wurde vorgetragen am 14. November im Haushaltsausschuss, für den sich, ebenso wie für die gesamte Bezirkspolitik, die Causa Freibeuter schon lange zu einer unendlichen Geschichte mit immer neuen Wendungen entwickelt hat. Die jetzige Inbesitznahme bedeutet deshalb nur ein weiteres, vielleicht nicht einmal das letzte Kapitel. An seinem Inhalt versuchen sich mehrere Verfasser, die einen unterschiedlichen Spannungsbogen aufbauen.

Da wäre zum einen Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne). Er will in Gesprächen mit Vertretern der aktuellen Schiffsbesatzung deren Vorstellungen "auf Machbarkeit durchdeklinieren". Auch Schmidt sieht dabei einige Hürden, vor allem Kosten in einem zumindest hohen sechsstelligen Betrag für die Bestandsaufnahme und Sanierung des Schiffs. Aber in seinen Aussagen schwang auch ein gewisses Faible für die von Sarah Waterfeld vertretenen Formationen mit. Zumal deren Bordbetrieb derzeit für eher positive als negative Effekte sorge. Weil sie selbst für die Sicherheit sorgten, werde dem Bezirk das Installieren eines Wachschutzes erspart.

Bezirk kann sich Kahn nicht leisten

Etwas anders, wenn auch dezent verpackt, klang das dagegen bei Stadtratskollegin Clara Herrmann (Bündnis90/Grüne). Als Verantwortliche für den Umweltbereich verwies sie, ebenso wie eine Anwohnerin und eine Nabu-Vertreterin, zunächst darauf, dass das Areal am Freibeuter zum Naturerfahrungsraum werden soll. "Ob das Schiff an dieser Stelle der geeignete Standort ist, da mache ich viele Fragezeichen." Der Bezirk könne und werde sich den Freibeuter auch nicht leisten. Diese Aussage war auch ihrer Funktion als Finanzstadträtin geschuldet. Die Kosten waren ein wichtiger Grund, warum er aufgegeben wurde.

Ihn aber an einen anderen Liegeplatz zu bringen, ist ebenfalls schwierig. Der Kahn passt unter vielen Brücken nicht durch. Und wo er hinkommen könnte, fand sich schon in der Vergangenheit keine Stelle zum ankern. Auch anhand dieser Fakten plädierten vor allem die Grünen dafür, dem Besetzerkonsortium seine gewünschte Frist einzuräumen. Damit wäre erst einmal nichts verloren. Und vielleicht, so wurde suggeriert, käme ja wirklich irgendjemand mit einem Geldsack, durch den der Freibeuter flott gemacht werden könne.

Vertreter anderer Fraktionen sahen das weniger entspannt. Claudia Richter (Linke) hielt das ganze Vorgehen für wenig solidarisch und sozial. Was dafür an Geld aufgewendet werden müsse, fehle anderswo. Sie sah einen "Besetzungstourismus" am Werk. Auch Frank Vollmert (SPD) stellte die Frage nach weiter anfallenden Kosten. Und was jetzt angeblich noch geklärt werden müsste, wäre schon in den vergangenen Jahren immer wieder Thema gewesen. Denn das war das Ergebnis von Sarah Waterfelds Präsentation und anschließender Diskussion: Das Bezirksamt soll einen möglichst detaillierten Überblick aller Fragen rund um den Freibeuter liefern. Darin aufgelistet etwa die Kosten, der Sanierungsbedarf, der Pachtvertrag oder die rechtliche Situation. Und das "so zügig wie möglich". Avisierter Termin für das Ergebnis: die nächste Sitzung des Haushaltsausschusses am 27. November.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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