Piraten gingen von Bord: Was noch in der ersten BVV passierte
Friedrichshain-Kreuzberg. Die gescheiterte Wahl der Vorsteherin war natürlich das Hauptthema bei der BVV-Premiere. Aber auch anderes ist erwähnenswert.
Krawattenzwang: Mit der gemeinsamen Fraktion von Piraten und "Die Partei" hat es wirklich geklappt. Allerdings segeln die Piraten jetzt unter der Flagge ihrer neuen Partner. Sie hätten ihre bisherige politische Heimat verlassen, mit der sie ohnehin auf Landesebene nur noch wenig verbunden habe, erklärten die beiden jetzt Ex-Mitglieder Ralf Gerlich und Felix Just. Außerdem erlaube "Die Partei" keine Doppelmitgliedschaften. Unter dem Namen der Satireformation fungiert jetzt auch ihre Fraktion. Dort gilt die Regel, dass Mandatsträger zu Sitzungen Krawatte tragen. Gerlich und Just erschienen deshalb ebenfalls mit Binder. In der BVV Friedrichshain-Kreuzberg wird der ansonsten nur von wenigen Bezirksverordnete angelegt.
Spaßbremse: Riza Cörtlen, neben Torben Denecke für "Die Partei" in die BVV gewählt, lieferte gleich seinen ersten Redebeitrag. Kristine Jaath könne er keinesfalls als Vorsteherin wählen, erklärte er. Denn sie sei "eine Spaßbremse". Cörtlen führte dafür als Begründung Jaaths angebliches Räumungsersuchen durch die Polizei während einer turbulenten BVV im November 2013 zum Oranienplatz an. Was aber nicht stimmte, denn Jaath hatte trotz Besetzung des BVV-Saals nicht die Polizei gerufen.
Alt und Jung: Leiter der ersten Sitzung war Wolfgang Fisch (CDU). Er ist mit 79 Jahren das älteste Mitglied der neuen BVV. Ihm assistierten die beiden jüngsten Bezirksverordneten, Jiyan Durgun (24, Linke) und Marlene Heihsel (27, FDP).
Familiengruppe: Die FDP hat am 18. September mit zwei Verordneten den Wiedereinzug in die BVV geschafft. Vertreten werden sie dort durch ein Ehepaar. Denn neben Marlene Heihsel sitzt ihr Mann Michael für die Liberalen im Bezirksparlament. Die Gruppensitzungen finden also in der heimischen Küche statt? "Nein, auf dem Wohnzimmersofa".
Heterosexuell: Die AfD stellt drei Bezirksverodnete und damit so wenige wie in keiner anderen BVV. Gegen ihren Einzug gab es vor der Sitzung, wenn auch eher verhaltenen, Protest. Zur AfD-Fraktion gehört auch die Ex-SPD-Genossin Sibylle Schmidt. Sie wollte vor dem zweiten Wahlgang zur Vorsteherin mehr Persönliches von Kristine Jaath erfahren. Beruf, Familienstand, Kinder. Jaath lieferte das Gewünschte: 54 Jahre alt, Schriftstellerin, in fester Beziehung, keine Kinder. "Und heterosexuell". Dieser Zwischenruf kam von Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Grüne). Fehlte nur noch, dass die Anzahl der bisherigen Partner abgefragt worden wäre, meinte eine Bezirksvorordnete.
Nachteil für die Kleinen? Vor dem Verabschieden der vorläufigen Geschäftsordnung verlangte "Die Partei" eine Änderung. Sie bezog sich auf die künftige Auswahl an Bürgerdeputieren, bei der sie die kleineren Fraktionen "de facto" benachteiligt sah. Zustimmung gab es dafür von der CDU – und der AfD. Alle anderen –und damit die große Mehrheit – lehnten den Vorstoß ab.
Neue Gesichter: Rund 20 Mitglieder hatten am 27. Oktober ihren Einstand in der BVV. Auch die Fraktionsspitzen sind oder werden nahezu durchgehend neu besetzt. Die Grünen führen jetzt Annika Gerold und Julian Schwarze, die Linken Katja Jösting und Oliver Nöll, neuer CDU-Vormann ist Timur Husein. Die SPD muss wahrscheinlich ebenfalls noch eine Nachfolge für ihren bisherigen Fraktionschef Andy Hehmke finden. Der kandidiert, wie berichtet, für das Bezirksamt. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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