Warten auf das Elterngeld: Eine Betroffene berichtet
Ende Dezember hatte die Berliner Woche darüber berichtet, dass es in Friedrichshain-Kreuzberg so lange dauert, bis Eltern ihren Bescheid und das Geld aus dieser Pflichtleistung warten müssen. Welche Probleme das mit sich bringt, wird am Beispiel von Melanie Bartholdi deutlich. Sie hatte nahezu parallel mit dem Ende ihrer Elterngeld-Odyssee eine Mail an die Berliner Woche geschickt. Das gleiche Schreiben ging auch an Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Grüne).
Melanie Bartholdis Sohn kam am 1. September 2014 zur Welt. Den Antrag auf Elterngeld hatte sie Mitte Oktober eingereicht. Vorher sei das gar nicht möglich gewesen, sagt die 35-Jährige. Denn ohne die Anmeldung für das Kind und weitere Behördennachweise könne man gar nicht bei der Elterngeldstelle vorstellig werden. Da diese Prozedur aber allein bis zu sechs Wochen in Anspruch nehme, sei der Zeitraum für das Mutterschaftsgeld, das die ersten acht Wochen nach der Geburt ausgezahlt wird, schon nahezu ausgeschöpft.
Nach der Abgabe des Antrags passierte erst einmal nichts. Kurz nach dem Jahreswechsel fragte Melanie Bartholdi beim Amt nach, wie weit die Bearbeitung fortgeschritten ist. Dabei wurde auch ihr die Frist von 15 Wochen mitgeteilt. "Ein Zustand, der für die Betroffenen völlig unzumutbar ist", findet die Mutter und macht das nicht nur an ihrem Beispiel fest.
Nach dem Auslaufen des Mutterschaftsgelds sollte das Elterngeld im besten Fall die Kosten für Miete und Essen decken, meint sie. Bleibt es aus, entsteht ein Loch in der Kasse. Zumal andere Unterstützungsleistungen, wie Wohngeld oder Kinderzuschlag, erst nach dem Erhalt des Elterngeldbescheids beantragt werden können. Außerdem sollte man auch nicht immer davon ausgehen, dass der Partner genug verdient. Abgesehen davon, dass das unerheblich sei. "In meinem Fall ist es so, dass meine Lebenspartnerin noch studiert und BAföG erhält, welches sicher nicht für die ganze Familie reicht, da es dafür gar nicht ausgelegt ist."
Sie musste in den vergangenen Wochen ihre Ersparnisse anzapfen, die aber zuletzt ebenfalls aufgebraucht waren. Denn die Außenstände vom Amt hatten sich mittlerweile auf rund 3500 Euro summiert.
Und was machen Frauen, die nichts auf der hohen Kante haben und sich auch kein "Übergangsgeld" von der Familie oder Freunden leihen können?, fragt Melanie Bartholdi. Oder Mütter, auf die nach der Geburt zusätzliche Ausgaben zukommen. Etwa, weil sie nicht stillen können und deshalb mehr Geld für Säuglingsnahrung ausgeben müssen?
Härtefälle würden auch jetzt schneller bearbeitet, sagt Monika Herrmann dazu auf Nachfrage der Berliner Woche. Ob eine finanzielle Zwangslage vorliege, lasse sich schon an den Anträgen ablesen.
Die Bürgermeisterin gibt aber zu, dass die Situation in der Elterngeldstelle alles andere als optimal sei. Bis Ende vergangenen Jahres gab es dort exakt 4,26 Stellen. Mittlerweile sind zwei weitere Kollegen dazugekommen. Sie haben jeden Monat zwischen 500 und 550 neue Anträge zu bearbeiten. Es werde auch versucht, über den Senat weitere Stellen zu bekommen. Denn andere Bezirke hätten ähnliche Probleme.
Nirgendwo sei die Situation aber so extrem wie in Friedrichshain-Kreuzberg, so die Erfahrungen von Melanie Bartholdi. Geärgert hat sie auch, dass es in all den Wochen nicht einmal einen Zwischenbescheid gegeben habe. "Anders war das beim Wohnungsamt, wo wenigsten mal ein Brief kam, der auf die lange Bearbeitungszeit hingewiesen hat."
Das passiere normalerweise auch in Sachen Elterngeld, sagt Monika Herrmann. Sie will sich nicht nur deshalb noch einmal persönlich an Melanie Bartholdi wenden.
Die musste nach ihren Erfahrungen über den Slogan lachen, mit dem das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg wirbt: "Unterstützung, die ankommt." Fragt sich nur, wann.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.