Das Abschiedsinterview mit Bürgermeister Franz Schulz

Franz Schulz an seinem Schreibtisch, den er inzwischen geräumt hat. | Foto: Frey
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Friedrichshain-Kreuzberg. Am 31. Juli endet die Dienstzeit von Bürgermeister Dr. Franz Schulz (Bündnis90/Grüne). Seit 1996 war er Rathauschef in Kreuzberg, Baustadtrat und seit 2006 Bürgermeister des Fusionsbezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Vor der Amtsübergabe traf sich Berliner Woche-Reporter Thomas Frey mit Franz Schulz für ein Resümee.

Auf welche Leistungen sind Sie stolz?

Franz Schulz: Am meisten darauf, dass wir es geschafft haben, eine breite und vielfältige Bürgerbeteiligung zu installieren. Das ist nicht immer einfach und man holt sich viel Kritik ab. Aber die Möglichkeit der Mitsprache und das große Engagement der Bürger ist etwas, was Friedrichshain-Kreuzberg gegenüber anderen Bezirken auszeichnet.

Wichtig war auch, dass ich als erster bereits 2008 auf das Problem steigender Mieten und Verdrängung hingewiesen habe. Damals war das noch eine Einzelmeinung. Inzwischen spricht sich sogar Frau Merkel für eine Mietpreisbremse aus.

Bei bestimmten Vorhaben fallen mir vor allem der Park am Gleisdreieck und die Grünflächen am Friedrichshainer Spreeufer entlang der East Side Gallery ein. Am Spreeufer ist es mir gelungen in mühsamen Verhandlungen fast alle Grundstücke zu kaufen und den East Side- und Spreepark einzurichten. Nur bei den beiden, die in den vergangenen Monaten für so viele Schlagzeilen gesorgt haben, war ein Kauf nicht möglich.

Und wo sehen Sie Fehler und Misserfolge?

Franz Schulz: Auch an der East Side Gallery. Als die Bebauung der beiden Grundstücke im Herbst 2012 durch die Ablehnung von Tauschgrundstücken durch den Finanzsenator nicht mehr zu verhindern war und sich damals auch kein öffentlicher Protest artikulierte, sah ich meine Möglichkeiten am Ende. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass das Herausbrechen eines Mauerstücks für so viel weltweite Aufmerksamkeit und Protest sorgt. Zumal immer klar war, dass für den Bau des Brommystegs die East Side Gallery geöffnet wird.

An welche schwierigen Situationen während Ihrer Amtszeit erinnern Sie sich?

Franz Schulz: Vor allem an solche, wo ich vom eigenen Vorgehen überzeugt war, gleichzeitig aber massiven Gegenwind bekam. Zum Beispiel bei den Auseinandersetzungen um das Gesundheitszentrum in der Bergmannstraße. Dagegen gab es starken Protest. Das zwingt einen dann schon zur selbstkritischen Analyse. Positiv erfahren habe ich, dass damals eine große Mehrheit in der BVV hinter mir stand. Und inzwischen haben sich die damaligen Befürchtungen in Luft aufgelöst.

Welche Menschen haben Sie besonders fasziniert? Und wer überhaupt nicht?

Franz Schulz: Hochachtung habe ich vor Bürgern, die sich über Jahre oder sogar Jahrzehnte für ihr Anliegen einsetzen. Etwa Norbert Rheinländer, der 30 Jahre für den Park auf dem Gleisdreieck-Gelände gekämpft hat und dabei ruhig und besonnen geblieben ist. Oder Klaus Trappmann, der Vorsitzende der Kleingärtner auf dem Gleisdreieck.

Vor allem unter Investoren von Bauvorhaben finden sich häufig unsympathische Zeitgenossen. Nach meiner Erfahrung sind rund 20 Prozent lediglich auf maximalen Gewinn aus und gesamtgesellschaftliche Interessen sind ihnen egal. Eine Verständigung war hier schwierig. Ebenso hoch ist aber auch der Anteil derer, die ganz bewusst Teil dieses Bezirks werden und sich engagieren wollen. Und bei etwa 60 Prozent ist es so, dass sie zwar vor allem ihren Profit im Auge haben, aber für Verhandlungen offen sind.

Was werden Sie ab 1. August am meisten vermissen?

Franz Schulz: Vor allem die Möglichkeit, irgendwo eingreifen und etwas bewirken zu können. In Zukunft bin ich nur noch ein normaler Zeitungsleser, der von Problemen erfährt, aber nicht direkt intervenieren kann. Daran werde ich mich erst gewöhnen müssen.

Was werden Sie jetzt machen?

Franz Schulz: Konkret weiß ich das noch nicht. Einfach in den Tag hinein leben, kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe schon angekündigt, dass ich gerne in einer Bürgerinitiative mitarbeiten möchte. Zum Beispiel gegen die A100, beim Gleisdreieck oder der Zukunft des RAW-Geländes.

Was wünschen Sie dem Bezirk und Ihren Nachfolgern als Bürgermeister und Stadtrat?

Franz Schulz: Dem Bezirk wünsche ich, dass das besondere Friedrichshain-Kreuzberg-Gefühl erhalten bleibt und sich jeder hier zu Hause fühlen kann. Der Politik insgesamt wünsche ich, dass ihr immer klar ist, dass sie Macht und Einfluss von der Bevölkerung nur auf Zeit geliehen bekommen hat.

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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