Dr. Franz Schulz verlässt die Bezirkspolitik
Damit zeigte der scheidende Bürgermeister eine Facette, die bisher vielen unbekannt war. Denn gemeinhin galt er als rationaler, analytischer Kopfmensch, der den Eindruck vermittelte, er habe alle Probleme im Griff und könne sie, wenn es sein musste, in stundenlangen Sitzungen wegmoderieren. Dass sich hinter dieser Fassade auch Emotion verbirgt, ließ er nur selten durchblicken. Franz Schulz hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten zunächst Kreuzberg und dann Friedrichshain-Kreuzberg geprägt. 1992 zog der promovierte Physiker für die Grünen zum ersten Mal ins Bezirksparlament ein, wurde zwei Jahre später deren Fraktionsvorsitzender. Wie lange das schon her ist zeigt sich schon daran, dass es heute keinen Bezirksverordneten und erst recht kein Bezirksamtsmitglied mehr gibt, das zu dieser Zeit bereits in Amt und Würden war. Niemand außer Franz Schulz.
1996 gelang ihm etwas überraschend der Sprung auf den Bürgermeistersessel von Kreuzberg. "Die Situation war damals völlig anders als heute", erinnert er sich. Abwanderung und Verfall seien die größten Probleme gewesen. "Und als wir gerade dabei waren dagegen mit Visionen und Zukunftsentwürfen anzugehen, kam die Idee der Bezirksfusion."
Erst sollte Mitte der neue Partner für Kreuzberg werden, dann wurde es Friedrichshain. Was folgte waren die langwierigen Verhandlungen zwischen zwei sich zunächst völlig fremden Bezirken, personifiziert durch ihre Alphatiere Franz Schulz und dem damaligen Friedrichshainer Bürgermeister Helios Mendiburu (SPD).
Aus diesen von Animositäten begleiteten Anfängen ist inzwischen so eine Art Friedrichshain-Kreuzberg-Bewusstsein geworden, auch wenn der jeweilige Kiezpatriotismus damit noch nicht völlig verschwunden ist. Gerade daran hatte Franz Schulz entscheidenden Anteil, zunächst bis 2006 als Baustadtrat und danach als Bürgermeister des Gesamtbezirks. Und spätestens in den vergangenen Jahren profilierte er sich als einer der bekanntesten kommunalen Rathauschefs in Berlin. Etwa durch seine schon 2008 vorgetragene Warnungen vor steigenden Mieten und zu wenig Wohnungen.
Dabei stand er häufig im Mittelpunkt von Kontroversen, von denen es im Bezirk in den vergangenen Jahren genügend gab. Ob Bethanien, der Spreeraum samt East Side Gallery oder das RAW-Gelände, um nur einige zu nennen. Turbulente BVV- und Ausschusssitzungen zeugten ebenso davon, wie öffentlicher Protest. Stoisch ließ der Bürgermeister häufig die Attacken zunächst an sich abprallen, ehe er zur Gegenrede ansetzte. Meist abgewogen, ab und an aber auch einigermaßen leidenschaftlich. Die entsprechenden Paragrafen, etwa aus dem Baugesetzbuch, hatte er selbst nach Endlosdebatten noch parat. Und fast immer ließ er durchblicken, es finde sich eine Lösung, für die er bereits entsprechende Instrumentarien zur Hand habe.
Auch Bezirksverordnete, die solche Auftritte zwischen profunder Kenntnis und Herrschaftswissen auf die Palme brachten, attestierten dem Bürgermeister bei seinem Abschied, dass mit ihm eine Ära zu Ende geht. Gleichzeitig wurde in manchen Reden deutlich, dass einem zum politischen Wirken von Franz Schulz viele Stichworte einfallen, der Mensch dahinter aber in all dieser Zeit ziemlich unbekannt geblieben sei. Auf den Punkt brachte das der SPD-Fraktionsvorsitzende Andy Hehmke, der den Namen Franz Schulz anhand zahlreicher Begriffe durchdeklinierte. Fleißig, rastlos, Aktenfresser, zupackend, sozial oder charismatisch fiel ihm dazu ein. Aber auch nicht menschelnd und unnahbar.
Vielleicht lag dem Bürgermeister deshalb daran, sein öffentliches Bild bei seiner Abschiedsrede ein wenig zu korrigieren. Nicht nur, dass er diesen Auftritt mit seltener Lockerheit absolvierte stand dafür, sondern vor allem jener Satz von der Politik als dem Aneinanderreihen von unwahrscheinlichen Ereignissen. Der gelte, wie er gerade in den vergangenen Wochen erfahren habe, auch für das Leben ganz allgemein, so Schulz am Ende.
Franz Schulz wird eine große Lücke hinterlassen, wenn er am 31. Juli sein Amtszimmer endgültig räumt. Immerhin kündigte er bereits an, er wolle sich danach nicht aus der Öffentlichkeit verabschieden und möglicherweise bei einer Bürgerinitiative mitmachen. Als Rentner, der einfach im Park in der Sonne sitzt, kann man sich den scheidenden Bürgermeister auch schwer vorstellen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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