Kleine Geschichte der SPD Friedrichshain erschienen
Das Ergebnis liegt jetzt in einem 122 Seiten starken Buch mit dem Titel "Kleine Geschichte der SPD Friedrichshain" vor. Mit viel Akribie hat sich das Autorenkollektiv um den Abgeordneten Sven Heinemann auf Spurensuche begeben und die verschiedenen Epochen ab Mitte des 19. Jahrhunderts nachgezeichnet. Sie werden mit Stolz und Respekt, aber an einigen Stellen auch durchaus kritisch und selbstkritisch beschrieben.
Bereits sehr früh galt der Arbeiterbezirk Friedrichshain als eine der "Herzkammern" der Partei. 1877 gewinnt der Gewerkschafter Friedrich Wilhelm Fritzsche dort zum ersten Mal ein Mandat für den Reichstag. Trotz der ein Jahr später in Kraft getretenen Sozialistengesetze, die eine legale Tätigkeit mehr als ein Jahrzehnt weitgehend einschränkt, gelingt das ab 1884 auch dem Unternehmer Paul Singer.
Der spätere Parteivorsitzende Paul Singer ist eine der legendären Figuren der Friedrichshainer SPD. Aber auch zu anderen, später bekannt gewordenen Genossen gibt es Anknüpfungspunkte. So lebte Friedrich Ebert, von 1919 bis 1925 erster Reichspräsident der Weimarer Republik, ab 1905 für einige Jahre mit seiner Familie in der Neuen Bahnhofstraße. Sehr früh spielten auch einige Frauen eine wichtige Rolle. Etwa Pauline Staegemann, die 1873 mit anderen den Berliner Arbeiterfrauen- und Mädchenverein gegründet hatte.
Nach dem ersten Weltkrieg und dem Ende des Kaiserreichs bekamen die Sozialdemokraten nicht nur Regierungsverantwortung im Deutschen Reich, sondern auch in Friedrichshain. Von 1921 bis zu seiner Absetzung 1933 durch die Nazis amtierte ihr Genosse Paul Mielitz als Bezirksbürgermeister.
Verfolgung und Anpassung kennzeichneten die Jahre der NS-Diktatur. Zu Beginn des "Dritten Reichs" regte sich noch Opposition. Sie wurde relativ schnell durch mehrere Verhaftungswellen gebrochen. Widerstand gab es danach nur noch von einzelnen Personen oder kleinen Gruppen. "Die einst so mächtige Arbeiterbewegung ließ sich von den Nazis überrumpeln", konstatiert das Buch und macht dafür auch die Entschlussschwäche der SPD-Führung verantwortlich.
Was blieb war ein loser Kontakt unter einigen Mitgliedern, der aber dafür sorgte, dass die Partei sehr schnell nach Kriegsende wieder in Erscheinung treten konnte. Und bald darauf mit der nächsten Diktatur konfrontiert wurde.
Es gab die Auseinandersetzungen um die Zwangsvereinigung mit der KPD zur SED. Dann bestand die Partei als zunächst durch den Vier-Mächte-Status Berlins einigermaßen geschützte Ost-SPD. Das Ende der Partei im Ostteil der Stadt kam nach dem Mauerbau 1961. Gerade zu dieser Epoche liefert das Werk dank der Recherchen von Sven Heinemann neue Erkenntnisse. Es habe kaum eine Versammlung gegeben, bei der nicht ein oder mehrere IMs der Stasi mit am Tisch saßen, hat er herausgefunden. In der Stasi-Unterlagenbehörde gibt es ungefähr 100 000 Seiten Material, das sich mit der SPD Friedrichshain beschäftigt. Besonders im Visier war dabei der Vorsitzende Kurt Neubauer. Neubauer, auch das eine besondere historische Fußnote, wurde 1952 Abgeordneter im westdeutschen Bundestag in Bonn. Trotzdem wohnte er bis 1961 weiter in Friedrichshain.
Bis zum Wendeherbst 1989 ist die Tätigkeit der Zuträger nachzuweisen. Zuletzt bekamen sie davon Wind, dass auch in Friedrichshain die SPD neu gegründet werden soll. Verhindern konnten sie das nicht mehr.
Es folgten der Erfolg der Partei bei der Kommunalwahl 1990 und die zehnjährige Amtszeit des Sozialdemokraten Helios Mendiburu als Bürgermeister. Allerdings hat die SPD bereits in diesen Jahren ihre zunächst knappe Vormachtstellung in Friedrichshain eingebüßt. Erst recht galt das nach der Fusion mit Kreuzberg zum neuen gemeinsamen Bezirk.
So gesehen ist der Friedrichshainer Kreisverband heute nicht mehr die "Herzkammer", aber noch immer ein traditionsreicher Ort der deutschen Sozialdemokratie. Daran erinnert dieses Buch.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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