Unterstützer der Flüchtlinge übernahmen die Regie

Bürgermeisterin Monika Herrmann und ihr Stellvertreter Dr. Peter Beckers (SPD) sitzen mit einem Flüchtlingsaktivisten auf der Bezirksamtsbank. | Foto: Frey
  • Bürgermeisterin Monika Herrmann und ihr Stellvertreter Dr. Peter Beckers (SPD) sitzen mit einem Flüchtlingsaktivisten auf der Bezirksamtsbank.
  • Foto: Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Friedrichshain-Kreuzberg. Die Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) sind häufig von Protestaktionen begleitet. Was sich allerdings bei der jüngsten Sitzung am 27. November abspielte, sprengte auch den Rahmen dessen, was dort bisher bekannt war.

Denn als Publikum waren rund 250 Flüchtlinge und vor allem Sympathisanten vom Oranienplatz zum Rathaus Kreuzberg marschiert. Sie kamen von der dort inzwischen wieder bewohnten Zeltstadt und außerdem aus der besetzten ehemaligen Schule in der Ohlauer Straße. Bereits vor Beginn der BVV hatten die Aktivisten deutlich gemacht, dass sie heute die Regie übernehmen werden. Sie verteilten sich nicht nur auf der Besuchertribüne, sondern auch im BVV-Saal. Dazu wurden Sprechchöre skandiert, wie "Das ist die deutsche Tradition. Mord, Folter, Deportation", "No Border, no Nation, stop Deportation" (keine Grenzen, keine Nationen, stoppt die Abschiebung) oder "Henkel vertreiben, O-Platz muss bleiben".

Innensenator Frank Henkel (CDU) ist seit seines Ultimatums an den Bezirk das neue Feindbild der Szene. Er forderte Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Grüne) auf, das Camp bis zum 16. Dezember zu räumen. Ansonsten werde der Senat einschreiten. Ausgelöst wurde die neue Eskalation am Oranienplatz, nachdem einige der bisherigen Bewohner am 24. November den Umzug in ein ehemaliges Seniorenwohnheim der Caritas in Wedding nicht mitmachten und neue Flüchtlinge dazu kamen. Deshalb konnte auch der vom Bezirk eigentlich geplante Abbau der Wohnzelte nicht stattfinden. Am Abend des 24. November kam es rund um den Platz zu Krawallen, bei denen 31 Polizisten verletzt wurden.

Weil sie das Camp zunächst entfernen wollte, hat sich auch die Bürgermeisterin den Zorn der Flüchtlingsunterstützer zugezogen. Jetzt bekräftigte Monika Herrmann, dass die Zelte nur im Einvernehmen mit den Akteuren abgebaut werden.

Gleichzeitig hält sie aber einen Aufenthalt dort bei Minusgraden für gefährlich. Sie werde weiter versuchen, die Bewohner zu einem Verlassen des Platzes zu überreden. Auch im Hinblick auf das gestellte Ultimatum. Wenn der Innensenator nach dem 16. Dezember das Verfahren an sich ziehe, sei der Bezirk aus dem Spiel und könne nicht mehr eingreifen.

Aussagen, die das Publikum scheinbar wenig überzeugten. Unterstützung erhielten sie von der Fraktion der Linkspartei. Es sei jedem frei gestellt, wo er sein Lager aufschlagen wolle, meinte etwa deren Vorsitzender Lothar Jösting-Schüßler. "Wenn das aus Protest auf dem Oranienplatz passiert, dann sollten wir auch daran niemanden hindern."

Die Redebeiträge zeigen: Es wurde mit einiger Verspätung in der BVV debattiert. Allerdings fast ausschließlich über die Tagesordnungspunkte, die sich mit der Flüchtlingsproblematik beschäftigten. Das dauerte fast drei Stunden. Auch deshalb, weil jede Meinungsäußerung Absatz für Absatz ins Englische übersetzt wurde. Dazu gab es immer wieder Zwischenrufe und Statements der Besucher.

Bereits zu Beginn der BVV hatte sich die vierköpfige CDU-Fraktion verabschiedet. Eine wirkliche Arbeit des Bezirksparlaments sei unter diesen Umständen nicht möglich, erklärte ihr Vorsitzender Götz Müller. Er hatte zuvor im Ältestenrat vergeblich einen Abbruch verlangt.

Die anderen Fraktionen zogen diese besondere Sitzung bis zum Ende durch. Nachdem der Flüchtlingskomplex abgearbeitet war und die Besucher aus dem Rathaus gezogen waren, wurden noch mehrere weitere Anträge und Beschlussempfehlungen verabschiedet. Alle ohne weitere Debatte. Als es auf 22 Uhr zuging, hatte jeder genug.

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

50 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 621× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 86× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 465× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 580× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 128× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.