Volker Siems plant in seinem Kiez ein riesiges Netzwerk
Genau das will der 39-Jährige natürlich erreichen. Allerdings im ganz großen Stil. Er plant nichts geringeres als ein großes Nachbarschaftsnetzwerk für Friedrichshain. Außerdem soll die Idee auch anderswo Nachahmer finden. Polly und Bob sind dabei ausgedachte Phantasienamen, die gleichzeitig für jeden stehen sollen. "Leute verabreden sich online und treffen sich dann offline zu verschiedenen Aktivitäten", skizziert er seinen Plan. "Das kann eine Tauschbörse sein oder eine Diskussion zu besonders drängenden Problemen, etwa aktuell die steigenden Mieten."
Einige Veranstaltungen hat er inzwischen bereits in die Tat umgesetzt. Mit einem Büchertausch am 21., einem Sprachen-Café einen Tag später sowie einem Babysitting-Treff am 23. September startete sein nachbarschaftliches Get Together.
Das Problem sei auch in Friedrichshain, dass viele Menschen wenig Kontakte haben und ihr Leben als Einzelkämpfer fristen, meint der promovierte Kulturwissenschaftler. Gleichzeitig könne fast jeder bestimmte Fähigkeiten oder Dienstleistungen anbieten und im Gegenzug von anderen profitieren. Und sei es nur als Babysitter. "Da geht es dann nach dem Motto - passt du morgen auf dein Kind auf, mache ich das nächste Woche." All das stehe wiederum unter dem Oberbegriff einer Share Community. Also Menschen, die bewusst Dinge oder auch Produkte miteinander teilen, statt sie jeweils für sich anzuschaffen.
Als Plattform aller Aktivitäten soll die Website www.pollyandbob.com dienen, die am 1. November freigeschaltet wird. Dieser Termin markiert auch den offizielle Beginn seines Projekts. Aber bereits jetzt können sich Mitstreiter per E-Mail oder Telefon melden. Aufmerksam gemacht werden sie in den kommenden Wochen ganz analog durch die Plakate, die Volker Siems derzeit an vielen Stellen in Friedrichshain anbringt. Rund 100 Personen hätten inzwischen Kontakt mit ihm aufgenommen, freut sich der Initiator. Aber er will noch viel mehr. "Das Ziel ist, bis zum Start der Website mindestens 604 Interessierte zusammen zu bekommen." Seine Begründung für die etwas schräge Zahl: "Das sind genau 0,5 Prozent der Einwohner von Friedrichshain."
Erreicht werden soll diese Marge auch durch weitere Aktivitäten in den kommenden Wochen. Zum Beispiel dem "Running Dinner" am 5. Oktober. Jeweils sechs Menschen treffen sich zunächst in einer Wohnung und bekommen dort von den Gastgebern den ersten Gang einer längeren Menüfolge serviert. Dann ziehen sie in die nächste Wohnung, mischen sich dort mit anderen Gästen zu einem weiteren Gang. So geht es weiter bis zur Nachspeise. Der Abend gebe jedem die Möglichkeit, eine Menge Leute kennen zu lernen, findet Volker Siems.
Wenn Volker Siems über seine Vorhaben erzählt, dann sprudelt es aus ihm heraus. Manches davon sei zwar noch unausgegoren, aber es sei so vieles möglich, wenn man anfange darüber nachzudenken, meint er. Dazu erhofft er sich weitere Ideen von vielen Mitstreitern.
Das alles zu organisieren ist eigentlich ein Vollzeitjob. Genauso sieht das auch der Macher und will sich dieser Aufgabe künftig nahezu vollständig widmen. Denn für Volker Siems bedeutet Polly & Bob auch einen Bruch mit seiner bisherigen Erwerbsbiografie. Lange Jahre hat er als Manager gearbeitet, war zuletzt als Repräsentant einer Laminatfirma in vielen Ländern unterwegs. "Irgendwann kam ich aber an den Punkt, wo ich mich fragte, ob ich das jetzt bis zur Rente machen möchte. Und ob ich nicht mein Leben anders organisieren sollte."
Zustimmung dafür fand er bei seiner Frau, die als Ergopädin arbeitet. Vielleicht, so sinniert Volker Siems, lasse sich mit dem Netzwerk eines Tages sogar Geld verdienen, aber zunächst sei das nicht sein Hauptanliegen. "Es geht darum, dass Menschen erkennen, dass vieles für sie leichter wird, wenn sie etwas gemeinsam machen." Und für ihn ist das alles eine neue Herausforderung.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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