Wie viele Neubauten sollen es sein?
Für alle diese Menschen braucht es Wohnungen. Und die sollten auch noch möglichst bezahlbar sein. Derzeit fehlt es im Bezirk an beidem.Vor allem die SPD hat das Thema inzwischen für sich entdeckt. Die Genossen plädieren dafür, nahezu jedes freie Grundstück auf die Möglichkeit von Neubauten abzuklopfen. Zuletzt wollten sie deshalb sogar in letzter Minute den Bau des Hellweg-Marktes am Bahnhof Yorckstraße stoppen und verlangten auch an dieser Stelle den Bau eines Wohnquartiers. Auch wenn diese Idee am Ende abgeschmettert wurde, sei bereits die Debatte darüber ein Zeichen gewesen, "dass wir es mit unserem Einsatz für den Wohnungsbau ernst meinen", sagt Sozialdemokrat John Dahl, Vorsitzender des Stadtentwicklungssausschusses. "Wir werden dieses Thema auf der Tagesordnung halten. Schon, weil wir derzeit hier ein Alleinstellungsmerkmal haben."
Das gilt nicht zuletzt gegenüber den Grünen. Die Ökopartei, die mit der SPD in einer Art Koalition verbunden ist, sieht im Errichten massig neuer Appartements in Friedrichshain-Kreuzberg keinen Königsweg. Bei allen Problemen auf dem Wohnungsmarkt dürfe es nicht dazu kommen, dass überall gebaut werde, meint deren Bezirksverordneter Andreas Weeger. "Nirgendwo in Berlin leben so viele Menschen auf einem Quadratkilometer wie in unserem Bezirk." Für die Bevölkerung gebe es heute schon zu wenige Grünanlagen. "Wenn noch weiter verdichtet wird, hilft das niemandem." Außerdem würden weitere Wohnungen nicht gleichzeitig geringere Mieten bedeuten. "Teure Neubauten von heute haben Auswirkungen auf den Mietspiegel von morgen." Ein besserer Weg sei deshalb das Kappen der Mietobergrenzen.
"Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen", kontert wiederum John Dahl. "Mehr Wohnungsbau bedeutet aber erst einmal ein größeres Angebot." Schon das könne sich positiv auf den Preis auswirken. "Uns geht es auch nicht nur um Neubauten, sondern beispielsweise um zusätzlichen Dachausbau." Außerdem könnte man Investoren dazu verpflichten, einen bestimmten Anteil an günstigen Appartements anzubieten.
Genau das soll jetzt auch auf dem Freudenberg-Areal an der Boxhagener Straße passieren. Rund zehn Prozent der Mietwohnungen, die dort geplant sind, in absoluten Zahlen zwischen 30 und 40, will der Investor zu einer Einstiegsmiete von 5,50 Euro pro Quadratmeter Menschen mit geringem Einkommen anbieten. Kritiker halten diese Marge für viel zu gering und verlangen eine weitere Staffelung zwischen diesem günstigen und dem in der Mehrzahl hochpreisigen Angebot.
Vielen Anwohnern passt die neue Nachbarschaft aber grundsätzlich nicht. Statt eines Wohnquartiers plädieren sie dafür, auf weiten Teilen des Grundstücks einen Park zu errichten. Dass weitere Zuzüge nach Berlin auch mehr Wohnungsbau erfordern, spielt bei solchen Argumenten kaum eine Rolle. "Friedrichshain-Kreuzberg ist auf jeden Fall voll", brachte es eine Stimme auf den Punkt. "Die Leute müssen schauen, dass sie woanders unterkommen."
Selbstverständlich müssen Menschen, die das wollen, auch künftig die Möglichkeit haben, in einen Innenstadtbezirk zu ziehen, findet John Dahl. Auch ökologisch bringe das einige Vorteile. "Wer zentral wohnt, benutzt nutzt meist seltener das Auto, sondern fährt Fahrrad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln."
Unabhängig von dieser Debatte drehen sich mittlerweile an vielen Stellen im Bezirk die Baukräne, entstehen neue Häuser oder sind geplant. Die Forderungen der Sozialdemokraten seien ihm deshalb nicht ganz verständlich, meint Bürgermeister Dr. Franz Schulz (Bündnis 90/Grüne). "Wir haben Wohnungsneubauten schon bisher keine Steine in den Weg gelegt."
Die SPD sieht sich dagegen nicht nur bei ihren Plänen am Yorckdreieck ausgebremst, sondern verweist auch auf die derzeitigen Diskussionen um die Bebauung des Tempelhofer Feldes. Auch dort würden sich die Grünen gegen eine Bebauung von Teilen des Riesenareals aussprechen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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