Umspannwerk wird Flüchtlingsheim
LAF und Bezirk beantworten Fragen zur neuen Unterkunft im Rudolfkiez
Die neue Flüchtlingsunterkunft am Rudolfplatz soll im Juni eröffnen. In das alte Umspannwerk ziehen vor allem Familien ein. Geplante Laufzeit: maximal drei Jahre.
Im Rudolfkiez leben bald weitere 150 Flüchtlinge. Sie wohnen im alten Umspannwerk von Vattenfall, Am Rudolfplatz 3. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) lässt den Backsteinbau gerade als Notunterkunft herrichten – für Familien und Frauen mit älteren Kindern. Woher sie kommen, aus der Ukraine, Syrien, Afghanistan oder der Türkei, entscheidet sich kurzfristig. „Das wissen wir jetzt noch nicht“, so LAF-Präsident Mark Seibert. „Vielleicht kommen sie aus anderen Unterkünften, vielleicht auch nicht. Wir haben täglich hohe Zahlen von Neuankommenden in Berlin.“
Fest aber steht: Mitte oder Ende Juni soll die neue Flüchtlingsunterkunft eröffnen. Im Rudolfkiez ist es die zweite. Vergangenen September ging bereits am Warschauer Platz eine Unterkunft mit 580 Plätzen ans Netz. Bezirksamt und LAF hatten die Anwohner allerdings erst Wochen später darüber informiert. Das lief jetzt besser. In der Zwingli-Kirche klärten Bezirk und Landesamt einen guten Monat vorher auf. Auch einen Tag der offenen Tür soll es rechtzeitig vor der Eröffnung geben. Betreiber der Notunterkunft ist der Landesbetrieb für Gebäudebewirtschaftung Berlin (LFG). Der ist auch für die Aufnahmeeinrichtung in dem Ex-Hostel am Warschauer Platz und für viele weitere LAF-Unterkünfte in der Stadt zuständig. Mit dem Eigentümer sei eine Laufzeit von zunächst einem Jahr vereinbart worden, so LAF-Päsident Seibert. Der könne aber zwei Mal auf maximal drei Jahre verlängert werden. Das Personal bringe der Betreiber mit, darunter sind Sozialarbeiter, Psychologen, Kinderbetreuer, Hausmeister und vier Sicherheitsleute, die rund um die Uhr vor Ort sind. Ein Caterer versorgt die Bewohner mit Essen, so wie es in allen Notunterkünften üblich ist. Die Lebensmittelausgabe der Tafel in der Zwingli-Kirche müsse daher niemanden zusätzlich versorgen, beruhigte Seibert eine Nachfragerin aus dem Publikum. „Sie werden die Unterkunft im Alltag kaum bemerken.“ Er selbst wohne nahe einer Unterkunft mit 1000 Plätzen und bekomme von den Bewohnern nicht viel mit. Auch Bürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) entwarnte vom Podium aus. „Vom Warschauer Platz hören wir, dort gibt es inzwischen ein ganz entspanntes Miteinander.“ Zwischen Bewohnern und Anwohnern. Ein Mann aus der Nachbarschaft bestätigte das. Es gebe viele gemeinsame Aktivitäten, zum Beispiel im Geflüchteten-Café oder im Nachbarschaftszentrum RuDi unweit des Rudolfplatzes.
Ein Problem dürfte dagegen die Versorgung mit genügend Schulplätzen werden. In Berlin hatten Anfang des Jahres fast 1000 geflüchtete Kinder und Jugendliche keinen Schulplatz. In Friedrichshain-Kreuzberg stehen laut Schulstadtrat Andy Hehmke (SPD) aktuell 80 Kinder auf der Warteliste. „Wir suchen zusammen mit den Schulen nach Lösungen.“ Vor allem an weiterführenden Schulen gebe es aber Raum- und Personalprobleme bei Willkommensklassen. In vielen Grundschulen sieht es nicht besser aus. „Wir machen große Verbiegungen, um ausreichend Schulplätze zur Verfügung zu stellen“, so Hehmke. Im Rudolfkiez kommt für die Flüchtlingskinder die Emanuel-Lasker-Schule infrage. Sie liegt an der Unterkunft am nächsten dran und ist die einzige öffentliche Gemeinschaftsschule in Friedrichshain. Aber auch dort fehlt der Platz für neue Schüler. Eine Mutter, die ihren Sohn an der Lasker-Schule hat, warf in die Runde, dass die Lehrer von der neuen Unterkunft am Rudolfplatz gar nichts wüssten. Das wollte der Schulstadtrat so nicht bestätigen. Wie viele Flüchtlingskinder am Ende beschult werden müssen, wird sich zeigen. Eine genaue Zahl konnte Seibert beim Termin in der Zwingli-Kirche jedenfalls nicht nennen.
Laut Rathauschefin Herrmann leben im Bezirk rund 1500 Flüchtlinge in LAF-Unterkünften. Weil Friedrichshain-Kreuzberg der flächenmäßig kleinste und am dichtesten besiedelte Bezirk Berlins ist, steht er auf der Unterkunftsliste des Senats weit unten. Freie Grundstücke für Modulare Unterkünfte (MUF), Containerdörfer oder Leichtbauhallen gibt es so gut wie keine. Die aber sucht das Land Berlin (wieder) dringend. Denn die Massenunterkünfte Tegel und Tempelhof sind überlastet. „Dort leben die Menschen auf engstem Raum“, so Seibert. „14 Leute in sieben Doppelstockbetten.“
Pro Jahr kommen etwa 15 000 bis 20 000 Geflüchtete nach Berlin. Der Senat hat daher angekündigt, 16 neue Containerstandorte mit mehr als 6000 Plätzen in den Bezirken zu suchen. Seibert zufolge ist Friedrichshain-Kreuzberg aus Flächenmangel nicht dabei. Mehr Flüchtlinge könnten trotzdem kommen: in umgenutzte Hotels oder Büros. „Ich wünsche mir, dass die Politiker merken, wann die Grenze erreicht ist“, mahnte eine Frau im Publikum. Das war's dann aber auch schon mit kritischen Statements. Nach einer Stunde endete der Infoabend in der Zwingli-Kirche. Angesetzt war die doppelte Zeit.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.