"Lösungen sind lächerlich"
Obdachlosenplatte am Containerbahnhof soll geräumt werden
Die Obdachlosenplatte am Containerbahnhof wird geräumt. Bewohner und Aktivisten protestieren. Das Areal ist jedoch Betriebsgelände der Deutschen Bahn.
Gut 60 Obdachlose und Aktivisten haben den Eingang zum Bezirksamt an der Frankfurter Allee besetzt. Einige halten Plakate hoch. „Räumungen und Kiezterror verhindern“ oder „Wir könnten es schöner haben“ steht darauf. „Warum versteht die Stadt nicht, dass Obdachlose dort, wo sie ihr Zelt und ihr Wohnmobil haben, wohnen und dass es nichts Schlimmeres gibt, als den Menschen, die unter den prekärsten Bedingungen leben, auch noch ihren Zufluchtsort wegzunehmen und das immer wieder aufs Neue“, sagt Anna Kante. Sie ist Sprecherin des Unterstützerbündnisses „diesel a“, das die Protestaktion organisiert hat.
Es geht um die Obdachlosenplatte am Containerbahnhof hinter dem Ring-Center an der Frankfurter Allee. Etwa 50 Obdach- und Wohnungslose leben dort seit gut drei Jahren in Zelten und Wohnwagen. Laut Deutscher Bahn illegal, denn das Areal ist Betriebsgelände. Die Bahn hat die Bewohner darum wiederholt aufgefordert, das Gelände zu räumen, da die Nutzung unberechtigt und aus Sicherheitsgründen nicht gestattet sei. Außerdem hat die Bahn mit ihrem Betriebsgelände anderes vor. „Hier entstehen Logistikflächen, ein Vormontageplatz sowie weitere Baustelleneinrichtungen.“ Mit einem an die Zelte angepinnten Aushang hat die DB Netz AG als Tochter der Bahn den Bewohnern nun zum dritten Mal die Räumung angekündigt. Am vergangenen Montag, 14. Juni, sollte es so weit sein. Zur Räumung kam es an diesem Tag jedoch noch nicht. Wohl deshalb, weil die meisten Bewohner das Camp schon von selbst verlassen haben, vermuten die Aktivisten von „diesel a“. Einen neuen Räumungstermin kennen sie nicht.
Keine Alternativen für
selbstbestimmtes Leben
Der Containerbahnhof ist nicht der erste Fall. Anfang 2020 hatte die Bahn die Obdachlosenplatte am S-Bahnhof Lichtenberg räumen lassen. Sozialarbeiter hatten die Platte begleitet, sie galt als Vorzeigeprojekt. Im Februar dieses Jahres ließ die Stadt dann Berlins größtes Obdachlosencamp an der Rummelsburger Bucht räumen. „Auch hier wurden den Bewohnern keine praktikablen Alternativen angeboten“, sagt Anna Kante. “Notunterkünfte oder Winterschlafplätze der Kältehilfe sind mit strengen Regeln, Auflagen und Preisen verbunden und beispielsweise für Suchtkranke oder Obdachlose mit Hunden keine Option.“ Von der Stadt und den Bezirksämtern fordern Obdachlose und Aktivisten darum, Platten, Wagenplätze, Camps oder Hausprojekte zu dulden und nicht zu verdrängen. „Sozialsenatorin Elke Breitenbach will Obdachlosigkeit bis 2030 abschaffen“, sagt Kante. „Gleichzeitig sind die Lösungen, die Senat und Bezirken einfallen, lächerlich.“
So waren den Bewohnern des Rummelsburger Camps zum Beispiel für zwei Monate Hostelplätze angeboten worden. Neueste Idee für die Bewohner am Containerbahnhof: ein Tiny-House für acht Personen als Modellprojekt. Und fünf Wohnmobile, die bleiben können. „Wenn Obdachlosigkeit bis 2030 verschwinden soll, müssen Lösungen und Angebote deutlich mehr Menschen erreichen, als im gleichen Zeitraum wohnungslos werden“, sagt Kante. Auch Traglufthallen oder Sammelunterkünfte seien keine Alternative, jedenfalls nicht für jene, die selbstbestimmt leben wollen.
„Die Politiker räumen im Namen von Kälteschutz und Menschlichkeit Obdachlosenplatten und übergeben die geräumte Fläche am nächsten Tag einem Investor, der schon seine Bagger bereitstehen hat.“ Vom Bezirksamt fordern die Aktivisten, die Räumung des Containerbahnhofs dauerhaft zu verhindern.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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