"Nerven aus Stahl"
"Panorama Ost" hilft seit fünf Jahren Menschen ohne Dach überm Kopf

Ein genauer Blick auf sein Gegenüber lohnt immer: Ein Teil vom "Panorama Ost"-Team mit Ann J. Rupp und Jan Dreher (von links).  | Foto: Kiefert
2Bilder
  • Ein genauer Blick auf sein Gegenüber lohnt immer: Ein Teil vom "Panorama Ost"-Team mit Ann J. Rupp und Jan Dreher (von links).
  • Foto: Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Vor fünf Jahren hat das „Panorama Ost“ eröffnet. Seitdem ist die Unterkunft für Wohnungslose eigentlich immer voll. „Das Leben wird härter in der Stadt“, sagt Jan Dreher, Geschäftsführer des Trägers milaa. Es gibt aber auch Erfolgsgeschichten.

Erst vergangenes Jahr stellte der Mieterverein fest: Die Zahl der Menschen ohne eigenen Mietvertrag ist alarmierend hoch in Berlin. Die Wohnungslosigkeit wächst schneller als die Hilfsangebote. Eine Einrichtung, die das zu spüren bekommt, ist das „Panorama Ost“ in der Rüdersdorfer Straße, nicht weit weg vom Ostbahnhof.

Die Unterkunft für Männer und Frauen ohne festen Wohnsitz ist bis auf den letzten der 97 Plätze belegt. Das war kurz nach der Eröffnung vor fünf Jahren schon so und hat sich bis heute nicht geändert. „Das Leben wird immer härter in der Stadt“, sagt Jan Dreher. „Und die Arbeit für uns immer schwieriger.“ Der Geschäftsführer der milaa gGmbH, einem anerkannten Sozialträger in der Stadt, ist zwar nicht jeden Tag im „Panorama Ost“. Aber Dreher kennt das Team und vor dem zieht er den Hut. „Unsere Mitarbeiter haben Nerven aus Stahl, einen langen Atem und sie können zuhören.“ Das ist das Erfolgsrezept des „Panorama Ost“. Dazu gehört aber auch zu akzeptieren, dass „wir keine Weltverbesserer sind“, sagt Dreher. „Wir kümmern uns um die Bewohner und stabilisieren ihre aktuelle Lebenssituation.“ Mehr nicht, aber auch nicht weniger. Erfolgsgeschichten gibt es trotzdem, immer wieder. Wie die des Mannes aus Polen, 50 Jahre alt, der fast ein Jahr lang in der Einrichtung wohnte. Er lernte Deutsch, fand mit Hilfe des Teams eine ABM-Stelle und wurde schließlich fest übernommen. „Und wir haben ihm eine unsanierte Wohnung besorgen können“, erzählt Sozialarbeiter Jan König. Das war vor zwei Jahren.

Gelegt wurde der Grundstein für das Wohnheim im Juli 2018. Eröffnet hat es ein Jahr später. In der Nachbarschaft liegen der Wriezener Park, das legendäre Berghain, der Comeniusplatz und das Dathe-Gymnasium. Anwohner waren anfangs skeptisch, ob so ein Haus in die Umgebung passt und Obdachlose nicht eher „vermehrt“ anzieht, etwa vom Ostbahnhof oder der Warschauer Brücke. Diese Sorge sei damals schon nicht berechtigt gewesen und habe sich auch nicht bestätigt, sagt Ann Jeannette Rupp, die im „Panorama Ost“ den Fachbereich „Existenzsicherung“ leitet. Denn: „Bei uns kann man nicht einfach so vorbeikommen.“

Das „Panorama Ost“ ist keine klassische Obdachlosenherberge und auch keine Notunterkunft. Die Bewohner werden über die Sozialämter vermittelt, die auch die Unterkunftskosten nach dem Allgemeinen Sozial- und Ordnungsgesetz (Asog) übernehmen. Der Aufenthalt ist befristet und sollte nicht länger als sechs Monate dauern. Danach sollen die Bewohner, meist Männer, ihr Leben einigermaßen selbst bestreiten können. Das klappt nicht immer, ein Mann lebt schon seit fünf Jahren im Haus, also von Anfang an. Alters- oder krankheitsbedingt hat es auch schon den ein oder anderen Todesfall gegeben. „Das ist dann Hardcore für die Mitarbeiter“, sagt Jan Dreher.

Das Wohnheim hat vor fünf Jahren eröffnet.  | Foto: Ulrike Kiefert
  • Das Wohnheim hat vor fünf Jahren eröffnet.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Im Haus gibt es über 70 Einzel-, Doppel- und Dreibettzimmer, eine Gemeinschaftsküche und einen Waschmaschinenraum. Draußen können die Bewohner im Garten sitzen, Grillen oder Tischtennis spielen. Die Mitarbeiter sind zwar rund um die Uhr da, „wir sind aber kein betreutes Einzelwohnen“, erklärt Rupp. Das heißt, die Bewohner müssen sich weitgehend selbst um ihren Alltag kümmern. Die Mitarbeiter helfen aber bei Anträgen, mit den Papieren, rufen bei Ämtern oder Ärzten an, organisieren eine Dolmetscherin, helfen bei der Suche nach Arbeit und einer Wohnung. Es gibt aber auch jene, die nach ihrer Ankunft im Haus erstmal gar nichts schaffen, die mit ihrer Situation völlig überfordert sind oder psychische Probleme haben. Ganz verschieden sind auch die Gründe, warum sie keine feste Bleibe haben. Manche sind nach Deutschland zum Arbeiten gekommen und haben dann den Job verloren. Andere haben Schulden angehäuft, waren mit der Miete im Rückstand bis die Räumungsklage kam. Oder sie sind vom Alkohol und den Drogen nicht losgekommen.

Wer mehr über das „Panorama Ost“ und seine Bewohner wissen will, kommt einfach vorbei. An der Rüdersdorfer Straße 64 ist anlässlich des fünfjährigen Geburtstages noch bis Ende September die Fotoausstellung „Zuhause und die Dinge um uns herum“ zu sehen, die die Lebensgeschichten von Bewohnern eingefangen hat. Denn Wohnungslosigkeit hat viele Gesichter und Facetten.

Ein genauer Blick auf sein Gegenüber lohnt immer: Ein Teil vom "Panorama Ost"-Team mit Ann J. Rupp und Jan Dreher (von links).  | Foto: Kiefert
Das Wohnheim hat vor fünf Jahren eröffnet.  | Foto: Ulrike Kiefert
Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

SozialesAnzeige
Ersthilfe kann jeder lernen. | Foto: africa-studio.com/Olga Yastremska and Leonid Yastremskiy

Reanimation lernen
Kostenloser Erste-Hilfe-Lehrgang

In Skandinavien gehört es längst zum Grundschulalltag, Reanimationen zu üben und Methoden der Erstversorgung zu trainieren. Die Menschen dort gehen ohne Angst an solche Situationen heran. Doch in Deutschland sterben noch immer zu viele Menschen, weil sie keine rechtzeitige Hilfe erhalten. Pro Minute, die ohne Unterstützung verstreicht, sinkt die Überlebenschance um 10 Prozent. Haben Sie sich schon einmal unsicher gefühlt, was in einem Notfall zu tun ist? Unser leitender Oberarzt der...

  • Pankow
  • 05.09.24
  • 905× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Sobald Beschwerden am Fuß auftreten, wird uns die Wichtigkeit dieses komplexen Körperteils plötzlich bewusst.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Veranstaltung für Patienten
Infos rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdienen? Oft vergessen wir sie, solange sie reibungslos funktionieren und keine Schmerzen verursachen. Doch sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Wichtigkeit dieses komplexen Körperteils plötzlich bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen bieten Ihnen fundierte Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungen. Erfahren Sie mehr über Rückfußprobleme wie...

  • Reinickendorf
  • 05.09.24
  • 852× gelesen
WirtschaftAnzeige
Ein starkes Team: Inhaber Torsten Becker, Viktoria Stefan (links) und Runa von Orlikowski feiern am 13. September das 60-jährige Bestehen von Optiker Kühntopp. | Foto: Optiker Kühntopp
5 Bilder

Optiker Kühntopp
Seit 60 Jahren für Sie da

Im September 1964 gründete Jürgen Kühntopp sein Optik-Fachgeschäft, das sich bereits seit den 80er-Jahren in dem denkmalgeschützten Haus in der Windscheidstraße 12 befindet, nur wenige Meter von der Kantstraße entfernt. 2009 übernahmen seine beiden langjährigen Angestellten, Torsten Becker und Thomas Kiehl, den Betrieb, der seit fünf Jahren von Torsten Becker erfolgreich allein weitergeführt wird. Der staatlich geprüfte Augenoptiker, Optikermeister und Optometrist verfügt über eine Reihe...

  • Charlottenburg
  • 30.08.24
  • 1.120× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Eine Karriere als Tätowierer eröffnet Ihnen viele Möglichkeiten. | Foto: VEAN TATTOO
3 Bilder

Beruf vorgestellt
Tattoo Artist: Dein Leitfaden zur Top-Karriere

Haben Sie sich jemals gefragt, was es bedeutet, ein Tätowierer zu sein? Ein Beruf, der heute auf dem Höhepunkt seiner Popularität steht, hat einen langen Weg der Transformation hinter sich, um zu dem Traum zu werden, den viele verwirklichen möchten. Dank des Durchhaltevermögens und des Glaubens der Tätowierer an ihr Handwerk hat dieser Beruf das heutige Ansehen erreicht. In diesem Artikel teilt VEAN TATTOO die Schlüsselaspekte der Arbeit eines Tätowierers und erklärt, wie man seinen Weg in...

  • Mitte
  • 21.08.24
  • 1.626× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.