Adrenalin und Köpfchen
Chessboxing ist ein pfeilschnelles Spiel
Beim Schachboxen geht es um pfeilschnelles Schlagen und rasantes Ziehen. Kein Sport für jedermann. „Aber faszinierend“, weiß Profi Josef Galert.
Schweißperlen auf dem Schachbrett. Boxen über Türmen. Und immer gibt die Uhr den Takt vor. Das ist Chessboxing – eine Kampfsportart aus Schach und Boxen. „Es geht um körperliche und geistige Fitness, um die Kontrolle des Adrenalins“, sagt Josef Galert. „Erst Schwitzen beim Boxen, dann Nachdenken beim Schach, und das alles möglichst schnell“, denn die Schach-Uhr tickt auch im Boxring mit. Für Josef Galert sind pfeilschnelles Schlagen und rasantes Ziehen kein Problem. Seit fünf Jahren trainiert er im Chess Boxing Club Berlin, dem ersten Schachboxverein der Welt. Seit Herbst 2019 ist der Ex-Kölner der zweite Vorsitzende des Vereins. Schach spielen konnte er vorher schon. Auch verschiedene Kampfsportarten beherrscht Galert. Aikido zum Beispiel. Und Krav Maga, eine israelische Kampftechnik der Selbstverteidigung. Kraft, Ausdauer und Köpfchen braucht der Berliner auch beim Chessboxing.
Sechs Runden Schach, fünf im Boxen
Doch wie spielt und boxt man da eigentlich? Josef Galert erklärt die klassischen Regeln. Ein Kampf geht über elf Runden, sechs davon im Schach und fünf im Boxen. Die Runden werden im Wechsel absolviert. Der Kampf beginnt und endet mit einer Schachrunde. Drei Minuten dauert jede Runde, sowohl im Schach als auch im Boxen. Bei jedem Kampf summiert sich die Schachzeit also auf insgesamt 18 Minuten, von denen jeder der beiden Spieler neun Minuten hat. Nach jeder Schachrunde wird die genaue Position des Schachspiels digital registriert. Die Spieler spielen also eine Schnellschachpartie verteilt auf sechs Runden. Zwischen den Box- und Schachrunden wird 60 Sekunden pausiert. „Du hast also nach dem Schach nur eine Minute Zeit, dir die Boxhandschuhe anzuziehen“, sagt Galert.
Und wer gewinnt am Ende? „Da gibt es mehrere Möglichkeiten.“ Entweder siegt man durch Knockout beim Boxen oder durch Schachmatt. Siegen kann ein Kämpfer aber auch, wenn dem Gegenspieler in der letzten Schachrunde die Zeit wegläuft oder der vorzeitig aufgibt. Endet eine Schachpartie Remis, wird der Sieger nach Punkten im Boxen ermittelt. Endet auch der Boxkampf unentschieden, so gewinnt der Schachboxer, der im Schach mit den schwarzen Figuren gespielt hat. „Zwei Remis, das kommt in der Praxis so gut wie nie vor.“
Über mangelnde Begeisterung fürs Schachboxen kann der Verein nicht klagen. „Wir haben mehr als 50 Mitglieder in Berlin“, sagt Josef Galert. Die meisten sind Männer. Unter den Trainern des Vereins ist sogar ein Schach-Großmeister: Arik Braun spielt locker gegen alle 50 auf einmal Simultan-Schach – und gewinnt, immer. Einige Sportler trainieren im Verein, um sich auf einen Schachboxkampf vorzubereiten. „Andere wollen einfach fit bleiben und ihren Kopf dabei benutzen“, sagt Josef Galert. Ihm geht es genauso. „Beim Boxen können die Nase oder der Kiefer kaputtgehen. Das brauche ich nicht mehr.“ Bei Wettkämpfen macht Galert darum nicht mit. Aber er trainiert jede Woche. Im Sommer draußen im Volkspark Friedrichshain oder in der Franz-Mett-Sporthalle, Gormannstraße 13 in Mitte.
Schachboxen erfand 2003 der niederländische Aktionskünstler Iepe Rubingh, der vor zwei Jahren starb. Ursprünglich stammt die Idee aber aus dem Comic „Froid Équateur“ des französischen Zeichners Enki Bilal. Was bei Rubingh zunächst als Kunstperformance gedacht war, entwickelte sich schnell zum ausgereiften Wettkampfsport. Im Oktober 2005, zwei Jahre nach dem ersten Weltmeisterschaftskampf, fand in Berlin die erste Europameisterschaft im Schachboxen statt. Damals bezwang der Bulgare Tihomir Atanassov Dovramadjiev den heutigen Schachboxkommentator Andreas Dilschneider aus Deutschland.
Weitere Informationen auf www.chessboxingberlin.de.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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