Acht Enthusiasten drehen am Rad: Initiative kämpft für Pedalverkehr unter der Hochbahn
Friedrichshain. Zuerst war es nur eine Idee. Jetzt gibt es dazu eine Potenzialanalyse. "Radbahn Berlin" ist das knapp 140-seitige Werk überschrieben.
Das Ziel: Vom Bahnhof Zoo bis zur Oberbaumbrücke soll eine durchgehende Fahrradstrecke eingerichtet werden. Große Teile des rund neun Kilometer langen Abschnitts führen dabei unter, manchmal auch neben der Hochbahn entlang. Erstellt hat die Studie ein im vergangenen Jahr gegründeter Verein namens paper planes, bestehend aus einer Kerntruppe von acht Mitgliedern.
Der zusätzliche Raum für Pedaltreter ist der herausragende, aber nicht der einzige Aspekt. Im Windschatten der Radbahn spielen bauliche Veränderungen, Aufwertung und Fragen künftiger Mobilität ebenfalls eine wichtige Rolle. Was dazu beiträgt, dass die Potenzialanalyse an vielen Stellen Interesse findet. Bei ihrer Präsentation am 30. Mai in einem Start-up in der Skalitzer Straße gab es Beifall von Christian Wiesenhütter, stellvertretender Geschäftsführer der Industrie und Handelskammer (IHK), Christian Tänzler, Pressesprecher der Tourismuswerber von visit.berlin, Burkhard Horn und Horst Wohlfarth von Alm von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Auch eine schriftliche Mitteilung des Zukunftsforschers Matthias Horx und das wiederum persönlich vorgetragene Verlangen "Ich will da Fahrrad fahren" des Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele zeigen Sympathie.
Matthias Heskamp will eigentlich nur kurz auf wichtige Punkte der Analyse hinweisen. Dann wird daraus doch ein längerer Vortrag. Der als "überzeugender Visionär" beschriebene Architekt wird mitgerissen von den Potenzialen, die er und seine Mitstreiter im Radbahnprojekt sehen.
Entlang des Tauentziens sollte der Weg über den Mittelstreifen führen. Der Kreuzungsbereich am Wittenbergplatz – kein Problem. Aber nicht nur dort oder am Nollendorfplatz stelle sich die Frage, wie solche Verkehrsknoten künftig aussehen sollten. Weiter geht es durch den Bahnhof Bülowstraße zum Gleisdreieckpark, dann Richtung Möckernbrücke und Hallesches Tor. In diesem Abschnitt sollten die Flächen direkt am Landwehrkanal auch als Erholungsmöglichkeit dienen.
Es ist nicht so, dass in Sachen Radverkehr entlang der avisierten Radbahn nichts passiert. Zwischen Lindenstraße und Kottbusser Tor werden derzeit auf beiden Seiten Schutzstreifen gebaut. Ein Fortschritt findet auch der paper planes-Vertreter. Aber möglicherweise keine abschließende Neuordnung des Straßenlandes. Ähnliches gilt für sie am Kottbusser Tor, wo Heskamp und seine Mitstreiter einen Umbau hin zu mehr Freiluftaktivitäten, sowie andere Platz- und Lichtverhältnisse als Gegengewicht zu den Problemen in dieser Gegend vorschlagen.
Spätestens ab dieser Gegend ist die Radbahn im touristischen Hotspot angelangt. Sie könnte dort angereichert werden mit Kunst oder anderen kieznahen Angeboten, beim Endpunkt an der Oberbaumbrücke wäre vieles rund um die Fahrradinfrastruktur denkbar.
Es sind wohl die zahlreichen skizzierten Möglichkeiten, die der Studie das Wohlwollen unterschiedlicher Akteure gesichert haben. Denn es ist für jeden etwas dabei. Wie kann ein kaum oder schlecht genutzter Stadtraum wie das Terrain unter der Hochbahn besser genutzt und insgesamt mit den immer knapper werdenden Freiflächen umgegangen werden? Schon diese Frage betrifft viele Bereiche und die Vorschläge reichen von Verkehrsalternativen über Stadtplanung bis zu Wirtschaft und Kultur. Wobei die Finanzierung, die Matthias Heskamp je nach Variante zwischen knapp 13 und rund 26 Millionen Euro angab, nicht einmal die Hauptrolle spielt. Die Verfasser würden ihr Werk ja selbst Potenzialanalyse und nicht Machbarkeitsstudie nennen, erinnerte Burkhard Horn. Es biete Anregungen, aber natürlich sei noch einiges zu klären. Am ehesten ist deshalb zu erwarten, dass mittelfristig an manchen Stellen ausgehend von den Ideen konkrete Pläne werden. Paper planes will daran weiter arbeiten.
Die Initiative sei aus einer abendlichen Runde leidenschaftlicher Radfahrer entstanden, erzählt Mitglied Simon Wöhr. Der berufliche Hintergrund als Architekten, Stadtplaner oder Kulturwissenschaftler führte zu weiteren Themen. Das Ergebnis entstand durch weitgehend ehrenamtlichen Einsatz. Auch wenn inzwischen mehrere Firmen als Sponsoren gewonnen werden konnten und der Senat ebenfalls eine finanzielle Unterstützung beisteuerte, diesen Kreis zu erweitern und die Radbahn in der Debatte zu halten, ist das nächste Nahziel. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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