Wer zu spät kommt...
Die Diagonalsperren im Samariterkiez und ihre Gegner
Etwa ein Dutzend Frauen und Männer waren persönlich zur Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Klimaschutz, Verkehr und Immobilien gekommen. In der Hinterhand hätten sie nach eigenen Angaben rund 700 Unterschriften von Menschen, die ihr Anliegen teilen. Das betrifft die seit Mitte August geltende Verkehrsberuhigung im Samariterkiez.
Die Hindernisse – vor allem die drei Straßensperren an der Pettenkofer- und Bänsch-, Bänsch- und Samariter- sowie an der Kreuzung Voigt- und Schreinerstraße – sorgten seither für heftige Auseinandersetzungen, sagten die Gegner und hielten das schon für eine negative Begleiterscheinung. Autofahrer, Nicht-Autofahrer, Radler – alle lägen miteinander im Clinch.
Auch die Ausführungen von Felix Weisbrich schienen diesen Befund zu unterstreichen. Beim Bezirksamt seien viele Nachrichten eingegangen, sagte der Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes. Viele kritische, aber ebenfalls nicht wenige positive. Die Einwände fasste er in vor allem drei Punkten zusammen. Erstens: Durch die Sperren finde nur eine Verlagerung, nicht weniger Verkehr statt. Zweitens: Um den Zeitverlust durch die Hindernisse auszugleichen, seien die Autofahrer mit umso höherer Geschwindigkeit unterwegs. Was gleichzeitig größere Gefahr bedeute und drittens zu Manövern führe, die Sperren zu umfahren. An der Pettenkofer- und Samariterstraße speziell dadurch, dass die Verkehrsteilnehmer in die Bänschstraße einfahren, dort nach wenigen Metern wenden und jenseits der Hindernisse wieder auf die ursprüngliche Route zurückkehren würden. Leidtragende solcher U-Turns wären die Anwohner, aber auch andere Menschen, die sich dort bewegten: Fußgänger, Kita-Kinder, Besucher der Spielplätze, beklagte die Protestgemeinde.
Straßensperren bleiben zunächst ein Jahr
Dieses Problem sei bereits angegangen worden, erinnerte Felix Weisbrich. In der Bänschstraße gelte jetzt Tempo 10. Um die Geschwindigkeit zu reduzieren, wurden außerdem Bodenplatten eingebaut. Das Nachjustieren wertete er auch nicht als "Schildbürgerstreich", wie von einem Gegner geäußert, sondern als schnelles Verwaltungshandeln. Sollte ähnliches an anderen Stellen erforderlich sein, könnte es möglicherweise ebenfalls Gegenmaßnahmen geben, ließ er durchblicken. Außerdem wurden weitere Gespräche mit der Polizei zwecks Kontrolle der Tempo-10-Vorgabe angekündigt.
Deutlich machte der Amtsleiter aber ebenfalls: Die Straßensperren bleiben wie geplant zunächst ein Jahr. Dann werden ihre Vor- und Nachteile evaluiert. So viel Zeit müsse eingeräumt werden. Denn das Verkehrsverhalten ändere sich nicht von heute auf morgen. Und mehrfach wies er auf das Ziel des Projekts hin: ein Verringern des Durchgangsverkehrs.
Ob das erreicht wird, bezweifelten die Protestvertreter. Dazu unterfütterten sie ihre Ablehnung mit persönlichen Erfahrungen. Ein Anwohner aus der Samariterstraße sah sich jetzt mit mehr Verkehr konfrontiert, denn nur dort sei eine Einfahrt in Richtung Norden möglich. Die Inhaberin eines Blumengeschäftes an der Schreiner- und Voigtstraße beklagte die Erschwernisse und damit den Rückgang ihrer Kundschaft aufgrund der Hindernisse. Und das alles "wegen der paar Autos", die hier durchfahren würden.
Andere hielten die Diagonal-idee schon ästhetisch für eine Zumutung. Dass der Aufbau dieser Grenzen ausgerechnet an einem 13. August, dem Jahrestag des Mauerbaus, begonnen hatte, hielten wieder andere für historisch wenig sensibel. Und wenn schon Verkehrsberuhigung, dann lieber mehr Flächen für Radfahrer auf Kosten der Autos, war ebenfalls eine Meinungsäußerung. Sie alle zeigten auch, dass es zwar Einigkeit bei der Ablehnung der aktuellen Situation gibt, weniger aber darüber, wie die Alternativen aussehen sollen.
Kritik: Unzureichende Information
Dabei sind einige Kritikpunkte nicht von der Hand zu weisen. Etwa der Hinweis, auch Anwohner müssten jetzt weitere Wege zurücklegen, um per Auto zu ihrem Haus zu gelangen. Aber das Problem bei allen Einwänden war: Sie kommen wie der ganze Protest etwas spät. Was mehrere Anwesende damit begründeten, sie hätten von dem Vorhaben nichts mitbekommen, weil darüber nach ihrer Ansicht unzureichend informiert wurde.
Gerade dieser Vorwurf sorgte für teilweise vehementen Widerspruch einiger Bezirksverordneter. Die vorgesehene Verkehrsberuhigung sei schon seit Jahren Thema gewesen, stellte zum Beispiel Peggy Hochstätter (SPD), selbst Kiezbewohnerin, klar. Sie verwies dabei unter anderem auf öffentliche Veranstaltungen oder Berichte, etwa in der Berliner Woche. Wer darüber Bescheid wissen wollte, hätte die Möglichkeit dazu gehabt. Ähnlich äußerte sich Jutta Schmidt-Stanojevic (Bündnis90/Grüne). Es habe ein umfassendes Beteiligungsverfahren gegeben.
Ohnehin zeigten sich die meisten Ausschussmitglieder von dem Auftritt eher genervt. Manche Vorhaltungen würden auch nicht besser, wenn sie mehrfach vorgetragen werden, kam unter anderem als Gegenargument. Etwa der Hinweis, Rettungsfahrzeuge bräuchten wegen der Sperren länger zum Einsatzort. Der Zeitverlust betrage höchstens einige Sekunden. Denn in jedem Feuerwehr- oder Krankenwagen gebe es einen Schlüssel, mit dem sich die Barrieren öffnen ließen.
Immerhin Michael Heihsel (FDP) plädierte dafür, die Einwände ernst zu nehmen und auch das weitere Verfahren ergebnisoffen zu gestalten.
Felix Weisbrich kündigte an, er werde weiter das Gespräch vor Ort suchen. Aber manche Leute hätten gar kein Internet, wurde ihm daraufhin entgegen gehalten. „Ich sagte doch, ich komme persönlich“, konterte er. „Analog“.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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