Etwas mehr Freiheit: Kompromiss für die Mainzer Straße
Schmale Stühle, die seitlich zur Hauswand platziert werden. Ausklappbare Stehtische. Fensterbänke mit Sitzflächen. Niemand soll behaupten, dass hier nicht Fantasie im Spiel war.
Solche und weitere Vorschläge enthielt ein Antrag, den die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 28. Februar einstimmig beschloss. Er soll dazu dienen, die Situation in der Mainzer Straße zu befrieden.
Dort ist nicht ausuferndes nächtliches Treiben das Problem, wie einige Meter weiter im Simon-Dach-Kiez, sondern eher das Gegenteil (wir berichteten mehrfach). Die Mainzer Straße ist eine ruhige Straße. Aber ausgerechnet dort sah das Ordnungsamt Handlungsbedarf in Sachen Sondernutzungsrecht von Straßenland. Gaststätten und Geschäften sollte das Herausstellen von Mobiliar und Waren untersagt werden. Begründung: Sie stehen den Vorgaben für den frei zu haltenden Gehwegbereich entgegen. Der muss mindestens 1,50 Meter breit sein. Reicht der Hauptweg dafür nicht aus, muss auch der sogenannte Oberstreifen am Haus mit herangezogen werden. Verbleiben dort dann weniger als 70 Zentimeter, sind Aktivitäten im Freien untersagt. Genau das ist in der Mainzer Straße der Fall, die in dieser Hinsicht deshalb auch einen ganz speziellen Fall darstellt.
Dass ausgerechnet sie als Fallbeispiel für vermeintlich rigides Handeln des Ordnungsamts herhalten sollten, leuchte nicht nur den betroffenen Gewerbetreibenden, sondern auch vielen Anwohnern nicht ein. Es gab Proteste, die ausführliche Debatten über die Sondernutzung im Allgemeinen und die spezielle Lage in der Mainzer Straße zur Folge hatten.
Als erstes Entgegenkommen hatte Wirtschafts- und Ordnungsstadtrat Andy Hehmke (SPD) die bisherigen Regelungen erst einmal verlängert. Zuletzt bis 28. Februar. Das fiel in Sachen Außenausschank zuletzt nicht allzu schwer, weil derzeit ohnehin niemand draußen sitzt. Für Ladenbesitzer wurde außerdem im vergangenen Herbst die Genehmigungspraxis etwas verändert. Schmale Auslagen zur Präsentation ihrer Produkte werden seither auch dann gestattet, wenn weniger als 70 Zentimeter Platz ist. Sofern die vorgeschriebene Gehwegbreite eingehalten wird.
Denn das ist eine weitere Crux in der Mainzer Straße. Es gibt dort einen relativ breiten Unterstreifen. Das ist der Bereich zwischen Fußweg und Straße. Er wird aber nicht zum Bürgersteigareal dazu gerechnet, weil sich dort auch Laternenmasten, Abstellflächen für Zweiräder oder andere Hindernisse befinden können. Beim Außenbetrieb in Lokalen gilt dagegen weiter die 70-Zentimeter-Regel. Wie sie eingehalten werden kann und trotzdem ein Freiluftbetrieb möglich bleibt, darum kreisten die Gedanken zahlreicher Vertreter im Ausschuss für Wirtschaft und Ordnung. Einige Ergebnisse davon sind die eingangs skizzierten Ideen. Sie sollen dafür sorgen, dass auch im kommenden Sommer eine Freiluftgastronomie in der Mainzer Straße möglich ist.
Bei dem von der SPD initiierten und zusammen mit Grünen und Linken eingebrachten Änderungsantrag handle es sich um einen "Kompromissvorschlag", wurde betont. Änderung auch deshalb, weil mit ihm ein älterer Vorstoß der FDP "qualifiziert" wurde, so der sozialdemokratische Bezirksverordnete Stephan Ott. Was die Liberalen natürlich etwas anders sahen und deshalb das eigentliche Copyright für sich beanspruchten.
Ihre Bezirksverordnete Marlene Heihsel wollte bei der "Freiheit für die Mainzer Straße" auch noch einen Schritt weiter gehen. Das Problem sei am besten zu lösen, wenn von einem anderen "Messpunkt" für die vorhandene Gehwegfläche ausgegangen werde. Sprich: einschließlich Integration des Unterstreifens oder zumindest Teilen davon. Diese Idee soll ebenfalls im Ausschuss weiter vertieft werden. Es ist erneut Fantasie gefragt.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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