Moratorium für die Mainzer Straße: Außenbetrieb wird bis Ende August erlaubt

Falk Brozio (links), hier mit Björn Streck, hat den Protest in der Mainzer Straße maßgeblich organisiert. | Foto: Thomas Frey
4Bilder
  • Falk Brozio (links), hier mit Björn Streck, hat den Protest in der Mainzer Straße maßgeblich organisiert.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Friedrichshain. Es war ein Kompromiss in fast letzter Minute. Am 26. Juni sollte die letzte Genehmigung für den Außenausschank eines Lokals in der Mainzer Straße ablaufen.

Diese Frist wird zunächst um gut zwei Monate, bis 31. August,  verlängert. Das kündigte Wirtschafts- und Ordnungsstadtrat Andy Hehmke (SPD) am 14. Juni in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) an. Während dieser Zeit soll an einer Lösung des Problems gearbeitet werden, zum ersten Mal bereits am 20. Juni im Ausschuss für Wirtschaft und Ordnung.

In der Mainzer Straße sollte es künftig keine Freiluftangebote von Gewerbetreibenden mehr geben. Das hatte zuletzt hohe Wellen geschlagen. Geschäftsleute, Anwohner und Kunden kämpfen gemeinsam für den Erhalt der Außenplätze. Eine Unterschriftenaktion startete, und am 24. Juni gibt es einen Aktionstag.

Gehweg ist zu schmal

Die Mainzer Straße ist kein Touristenhotspot wie einige Ecken weiter der Boxhagener Platz oder die Simon-Dach-Straße. Es gibt nur wenige Lokale, dazu beispielsweise einen Gemüse- und einen Buchladen sowie eine Galerie. Warum ausgerechnet dieser Bereich zum Vorreiter für ein rigides Vorgehen des Ordnungsamts werden sollte, ist nur schwer vermittelbar.

Hintergrund dafür ist ein Bezirksamtsbeschluss vom Juni 2012. Er schreibt für Gehwege eine Mindestbreite von 1,50 Meter vor, die für Fußgänger freigehalten werden muss. Sollten dann noch minimum 70 Zentimeter übrig bleiben, können Tische, Stühle oder Auslagen nach draußen gestellt werden. Genau das ist auf den ersten Blick das Problem an der Mainzer Straße. Die sogenannten Laufbahnen, also der Hauptweg auf dem Gehweg, ist  dort laut Stadtrat Hehmke lediglich zwischen 88 und 96 Zentimeter breit. Das geforderte Mindestmaß wird nur zusammen mit dem Oberstreifen erreicht. Damit ist der mit Kleinpflastersteinen versehene Bereich direkt entlang der Häuser gemeint. Dessen Breite bewegt sich von 94 Zentimeter bis 1,09 Meter. Der Oberstreifen ist das Terrain, auf dem eigentlich die Außenplätze stehen könnten. In der Mainzer Straße werden aber davon im besten Fall immer noch 54 Zentimeter benötigt, um auf die geforderte Gehweggröße von 1,50 Meter zu kommen. Es blieben deshalb nie mehr als 55 Zentimeter übrig.

Schon das ist alles ziemlich kompliziert. Noch verwirrender wird es beim Betrachten des Unterstreifens. Bei dem handelt es sich um das Areal zwischen Laufbahn und Straße, ebenfalls durch Kleinpflaster ausgelegt und entlang der Mainzer Straße über einen Meter breit. Mit ihm wäre eigentlich das Mindestmaß sowohl für Passanten, als auch für Gäste im Freien erreicht. Aber der Unterstreifen zählt nicht zur Bürgersteigaddition. Begründung: Dort befänden sich bisweilen Hindernisse wie Poller oder Lichtmasten. Auch das Abstellen von Fahr- oder Motorrädern sei dort erlaubt. Was bedeutet, es gibt Hindernisse für Fußgänger und deshalb könne der Unterstreifen nicht der aktiven Gehwegfläche zugeschlagen werden.

Am grünen Tisch

Es waren gerade solche Argumente, die Björn Streck zu der Ansicht kommen ließen, das Totalverbot des Außenausschanks sei vor allem am grünen Tisch mit eher eingeschränkten Kenntnissen der Lage vor Ort beschlossen worden. Björn und Jana Streck betreiben die Coffein Centrale, ein Café in der Mainzer Straße 20. Sie hätten ihren Außenbereich als letzte am 26. Juni beenden müssen. Einige Tage vorher wäre der bereits im "Fliegende Tisch" auf der anderen Straßenseite beendet worden.

Vor dem Café haben sie etwa zehn Plätze im Freien. Passanten kommen hier trotzdem gut vorbei, denn entlang dieses Grundstücks müssen sie auch auf dem Unterstreifen keinen Hürden ausweichen. Selbst eine Radfahrerin passiert problemlos, ebenso wie eine Familie mit Kind, einschließlich Roller.

Nachbarn sammeln Unterschriften

Wen stört also der Freiluftbetrieb?, ist eine Frage, die sich nicht nur Björn Streck stellt. Denn es waren vor allem Nachbarn wie Falk Brozio, die gegen die "Diktatur" des Ordnungsamtes mobil machten und die Kiezinitiative initiierten.

Dass sie damit einen Nerv getroffen haben, zeigte sich schon bei dem kurzen Besuch in der Coffein Centrale. Gäste tragen sich bereitwillig in die Unterschriftenlisten ein. In der Mainzer Straße werde ein Exempel statuiert, weil sich die Verwaltung an die wirklichen Probleme in den Ausgehmeilen nicht herantraue, war zu hören. Leidtragende seien Lokale wie dieses Café, obwohl es schon um 18 Uhr schließe. Damit werde nicht nur die Existenzgrundlage gefährdet, sondern auch der Kiezcharakter zerstört. Der gesamte Protest läuft unter dem Motto "Wir wollen draußen sitzen."

Er hat sicher seinen Teil zum aktuellen Moratorium beigetragen. Auch Andy Hehmke räumte bereits im Vorfeld ein, dass die Gemengelage in der Mainzer Straße nur schwer zu vermitteln sei. Aber es gehe auch um Rechtssicherheit, wie ihn der Bezirksamtsbeschluss von 2012 biete. Neun Klagen habe es bisher dagegen gegeben, alle seien abgeschmettert worden. Und gerade in den Ausgehzonen würden einige nur darauf warten, dass die Vorgaben gelockert werden. Gleichwohl sieht der Stadtrat für die Mainzer Straße noch Prüfbedarf. Er soll von der bisherigen Gehweganordnung ausgehen, verbunden mit der Frage, ob ein Verbreitern der relativ schmalen Laufbahnen auf Kosten des Unterstreifen zu den geforderten Mindestmaßen führen könnte. Und zwar so, dass es im bisherigen rechtsfesten Rahmen bleibt.

Ob das gelingt, muss sich erst noch zeigen. Für die Betroffenen bedeutet der Aufschub aber erst einmal, dass ihr Außenbetrieb in den nächsten beiden Sommermonaten gesichert ist. tf

Der Protesttag am 24. Juni auf der Mainzer Straße beginnt um 14 Uhr. Die Plattform der Anwohnerinitiative findet sich unter facebook.com/Kiezcharakter.
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

50 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 851× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 366× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 696× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 775× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 349× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.