Keine Zukunft für die City-Toilette?
Frohnau. 172 barrierefreie City-Toiletten betreibt die Wall GmbH in der Stadt – noch. Ende 2018 läuft der Vertrag mit dem Land Berlin aus, eine Verlängerung ist nicht geplant. Behindertenverbände und Politiker kämpfen für den Erhalt, darunter Bürgermeister Frank Balzer (CDU).
Nicht erst warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, lautet die Devise. Auch wenn der Vertrag zwischen dem Außenwerbe-Unternehmen Wall GmbH und dem Land Berlin noch gut zwei Jahre laufe, sei es Zeit zu reagieren, sagt Frank Balzer. „Die Ausschreibungen werden gerade vorbereitet. Deshalb müssen wir jetzt etwas tun.“ Balzer hat sich bereits mit dem Rat der Bürgermeister verständigt – die Kollegen seien wie er der Meinung, dass es ohnehin zu wenige öffentliche Toiletten in der Hauptstadt gebe. Der Reinickendorfer Bürgermeister wirbt daher darum, das funktionierende System der Wall GmbH beizubehalten.
Hintergrund: Von rund 250 öffentlichen WCs in der Hauptstadt betreibt Wall allein 220. Darunter 172 vom Typ City-Toilette. Diese barrierefreien Anlagen hat das Unternehmen vor gut 20 Jahren eigens von Ingenieuren entwickeln lassen, gemeinsam mit dem Allgemeinen Behindertenverband Deutschland. „Es war damals ein zähes, aber faires Ringen“, erinnert sich der Verbandsvorsitzende Ilja Seifert, der am Modellprojekt mitgewirkt hat. „Manchmal ging es um Zentimeter. Aber wir wurden ernst genommen und haben so lange verhandelt, bis die Maße stimmten. Seitdem haben wir mit der City-Toilette eine weltweit anerkannte Lösung für ein barrierefreies öffentliches WC.“
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt scheint davon nicht überzeugt zu sein. Vor dem Hintergrund des Vertragsendes prüft die Verwaltung aktuell den Bedarf an öffentlichen Toiletten in Berlin und hat die Bezirke um Zuarbeit gebeten. Im Anschluss will sie ein Konzept erstellen und einen neuen Betreiber suchen. Behindertenverband und Wall AG fürchten, dass damit das Aus für die City-Toiletten kommen könnte.
Für den Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung Jürgen Schneider wäre es das absolut falsche Signal. „Das Modell City-Toilette ist so gelungen, dass sich andere Großstädte daran orientieren“, sagt er. Er sehe nicht ein, warum am bestens funktionierenden Modus etwas geändert werden müsse, so Scheider beim Vorort-Termin an der Anlage vor dem S-Bahnhof Frohnau.
Dort zeigte Wall-Geschäftsführer Patrick Möller, wie die täglich rund um die Uhr nutzbaren Anlagen funktionieren, wie sie gewartet und nach jedem Besuch automatisch gesäubert werden. Service, Reparatur, Vandalismusschäden, Personal – für alles zahlt die Stadt keinen Cent. Dafür darf Wall kostenlos werben, so steht’s im Vertrag. Ein Abkommen, das Möller eine Win-Win-Situation nennt.
„Die Wallschen City-Toiletten waren schon inklusiv, als mit dem Begriff noch niemand etwas anzufangen wusste“, sagt Ilja Seifert. „Sie sind eben nicht nur Behinderten-WCs. Mütter können mit ihren Kinderwagen hinein, Touristen mit den Koffern.“ Zudem würden die Anlagen zur weitgehenden Barrierefreiheit beitragen, die inzwischen als Markenzeichen von Berlin gelte. Das solle die Stadt nicht aufs Spiel setzen. bm
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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