Verehrtes Pflänzchen im hohen Norden
Was ein Ableger des Bodhi-Baums für das Buddhistische Haus bedeutet
Weit ist der kleine Spross des Bodhi-Baumes aus Sri Lanka gereist, fast 8000 Kilometer Luftlinie. Neun ranghohe Mönche haben ihn mit dem Flugzeug aus dem tropischen Anuradhapura in den Berliner Herbst nach Tegel eskortiert. Am 30. September wurde er feierlich dem Buddhistischen Haus in Frohnau übergeben.
Ein bisschen ist dem Setzling die Strapaze des langen Transports anzusehen. Etwas kraftlos wirkt er, aber er ist am Leben, seine Blätter sind grün und eine Schar hingebungsvoller Menschen schwirrt um ihn herum, um sein Wohlergehen zu gewährleisten. Steht die Pflanze gerade? Ist sie ausreichend vor Wind und Erschütterungen auf dem unebenem Boden geschützt? Noch einmal das traditionelle Blumengesteck richten. Als der verglaste Käfig, in dem der Spross unter einem Zierschirm thront, auf dem fahrbaren Untersatz festgeschnallt ist, kann die Prozession beginnen. Der Geländewagen, behangen mit buddhistischen Flaggen, setzt sich vorsichtig in Bewegung, den Frohnauer Edelhofdamm hinauf, bis zum Buddhistischen Haus.
Dem Auto voraus wehen wie eine Fanfare sri-lankanische, deutsche und buddhistische Flaggen, kündigen an: Hier geschieht etwas, das in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung ist. Mönche in orangenen Gewändern schirmen das Fahrzeug nach hinten ab. Den Straßenrand entlang laufen diverse Passanten mit.
Am Buddhistischen Haus angekommen, wird der Spross behutsam vom Wagen gehoben, die Treppen den Hügel hinaufgetragen und schließlich vom sri-lankanischen Botschafter, Karunasena Hettiarachchi, feierlich dem Tempel übergeben. Es folgen Ansprachen und Gebete, Gläubige und Besucher kommen und gehen. Jeder will einen Blick auf den Spross in seinem neuen Zuhause erhaschen.
Eine der wichtigsten Reliquien
im Buddhismus
Auch Lankananda Perera von der Sri Lanka Association Berlin, einem Verein, der alle Volksgruppen Sri Lankas über ethnische Konflikte hinweg verbinden will, verfolgt die Zeremonie. Er erklärt den Rummel um den besonderen Pappel-Feigenbaumspross ein bisschen näher. „Der Bodhi-Baum ist eine der wichtigsten Reliquien im Buddhismus“, sagt Perera. Spender des Berliner Ablegers ist der Sri Maha Bodhi im Norden Sri Lankas. Dieser stammt vom nordindischen Bo-Baum ab, unter dem Siddhartha Gautama seine Erleuchtung gehabt haben soll.
Sowohl nach Indien als auch nach Sri Lanka pilgern der Bäume wegen jährlich viele Tausend Menschen. In diversen Tempeln gäbe es Ableger, so Perera. Im Buddhistischen Haus jedoch fehlte ein solcher bisher. Das hätte Botschafter Hettiarachchi festgestellt, als er 2017 sein Amt in Berlin antrat. Auf sein Bestreben hin sei der Transport organisiert worden.
Unterstützung
beim Botanischen Garten
Einfach war dieses Unterfangen freilich nicht. „Die Zollvorschriften sind strikt. Keine Erde durfte importiert werden“, sagt Perera. So habe der Spross in feuchte Tücher gewickelt seine Reise antreten müssen. Vorerst wird die langsam wachsende Pflanze in der Bibliothek des Buddhistischen Hauses aufgepäppelt. Man wird sich dazu Rat bei Experten aus dem Botanischen Garten holen. Ist aus dem Spross ein Baum geworden, soll dieser nach draußen umziehen. Dass er es bis dorthin schafft, ist für das Buddhistische Haus von großer Bedeutung. Denn solange der Sri Maha Bodhi grünt, heißt es, sei auch der Buddhismus in Sri Lanka lebendig.
Nun, da eine solch prominente Reliquie im Berliner Norden steht, wird der Tempel da zur Pilgerstätte? „Im Theravada-Buddhismus, der hier gelebt wird, geht es nicht darum, etwas anzubeten. Wir beten auch Buddha nicht an. Seine Lehren sollen Inspiration sein, um sich innerlich weiterzuentwickeln“, sagt Perera.
Leben ohne Gewalt
und Rücksichtslosigkeit
Tissa Weeraratna, der Verwalter des Hauses, stimmt ihm zu. Buddhas Lehre lege in erster Linie ein ethisches Leben ohne Gewalt und Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Wesen nahe. Nicht das Beten, sondern die Taten eines Menschen zählten. „Der Bodhi-Baum ist nicht heilig, aber ein Symbol für diese Grundsätze“, sagt Weeraratna. Ob der Baum zum Magnet für religiöse Touristen wird, ist noch nicht abzusehen. Als Attraktion gedacht ist er jedenfalls nicht. Besucher sind im Haus dennoch sehr willkommen, zu Meditationen, Vorträgen und Führungen.
Das Buddhistische Haus in Frohnau wurde 1926 von Paul Dahlke, Arzt und Wegbereiter des Buddhismus in Deutschland, gegründet. Durch seinen Tod 1928, eine durch das NS-Regime erzwungene Schaffenspause und die teilweise Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erlebte die Institution eine jähe Zäsur. Wiederbelebt wurde das Haus ab 1957 von Asoka Weeraratna, dem damaligen Sekretär der German Dharmaduta Society in Colombo und Onkel des heutigen Verwalters. Die Institution wird ausschließlich über Spenden finanziert.
Weitere Informationen zum Haus und seinem Programm gibt es auf http://das-buddhistische-haus.de/pages/de.
Nachtrag: Aufgrund seines Besorgnis erregenden Zustands ist der Bodhi-Baum mittlerweile in ein tropisches Gewächshaus des Botanischen Gartens der Universität Potsdam umgezogen. Dort wird er von Spezialisten versorgt, ist aber nicht öffentlich zugänglich.
Autor:Josephine Macfoy aus Schöneberg |
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