"Völlig abwegige Behauptungen"
Neuer Standort für Flüchtlingsunterkunft gefunden, die AfD protestiert

Rund 150 Gegendemonstranten kamen am 29. September an die Rudower Straße. | Foto: Stephanus Parmann
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  • Rund 150 Gegendemonstranten kamen am 29. September an die Rudower Straße.
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Am Haewererweg 35 wird es keine Flüchtlingsunterkunft geben. Darauf hat sich der Bezirk mit dem Senat geeinigt. Doch auch mit dem neuen Standort am Lise-Meitner-Oberstufenzentrum ist die AfD unzufrieden. Sie rief deshalb zu einer Demonstration auf.

Hintergrund: Im Februar hatte der Senat eine Liste für 25 neue Standorte in ganz Berlin vorgelegt, davon drei „Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge“ (MUF) in Neukölln, genauer: im südwestlichen Buckow. Ganz in der Nähe, an der Gerlinger Straße, gibt es bereits ein großes Tempohome für asylsuchende Menschen.

Das Bezirksamt war mit der Konzentration von Flüchtlingseinrichtungen in einem Kiez nicht einverstanden. Nun habe die Senatsverwaltung den ursprünglichen Plan verworfen, so Bürgermeister Martin Hikel (SPD). Stattdessen sei der Vorschlag angenommen worden, die MUF auf dem Areal des Oberstufenzentrums Lise-Meitner in der Gropiusstadt, Rudower Straße 184, zu errichten. Für die Schule ist ein Neubau in direkter Nachbarbarschaft in Arbeit, der voraussichtlich 2019 fertig sein wird.

Bei der Bezirksverordnetenversammlung am 26. September stellte der AfD-Verordnete Danny Damerau eine mündliche Anfrage zum neuen Standort. Er wollte wissen, ob es richtig sei, dass dort 16 Millionen Euro Steuergelder für die Unterkunft verschwendet würden, obwohl es in Brandenburg genug Platz gebe und darüber hinaus drei von vier der „sogenannten Geflüchteten“ kein Aufenthaltsrecht in Deutschland hätten. Hikel reagierte ungewohnt heftig. Er finde es „unsäglich“, von Steuerverschwendung zu sprechen, wenn es um die Schaffung von menschenwürdigen Unterkünften gehe. Geflüchtete in Anführungszeichen zu setzen sei „nahezu unbeschreiblich“. „Dass Sie Personen, die vor Krieg, Terror und Gewaltherrschaft geflohen sind, sprachlich derart ironisieren, zeigt mir, was für ein menschenverachtendes Menschenbild sie haben.“

Der Bürgermeister rückte auch sachlich einiges zurecht. Flüchtlinge, die Berlin zugewiesen seien, könnten nicht einfach in Brandenburg untergebracht werden – dagegen stehe das Aufenthaltsgesetz. Falsch seien überdies die von Damerau genannten Zahlen. Nicht Dreiviertel der Flüchtlinge hätten kein Aufenthaltsrecht, sondern nur rund ein Drittel. „Nach einer Veröffentlichung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge lag die Ablehnungsquote von Januar bis August 2018 bei 35,4 Prozent“, so Hikel. Zudem müsse nicht jeder, dessen Asylantrag negativ beschieden werde, das Land verlassen.

Falsche Aussagen wurden Danny Damerau auch im zweiten Teil seiner Frage nachgewiesen. Er behauptete, Neukölln sei der flächenmäßig kleinste, jedoch der am dichtesten besiedelte Berliner Bezirk, der dringend Kitas, Pflegeheime und Jugendeinrichtungen statt Flüchtlingsunterkünften brauche. Doch das stimmt nicht: Misst Neukölln eine Fläche von rund 45 Quadratkilometern und hat 7300 Einwohner pro Quadratkilometer, ist Kreuzberg-Friedrichshain nicht einmal halb so groß und nahezu doppelt so dicht besiedelt. Auch der Bezirk Mitte hat weniger Fläche und mehr Einwohner.

Zum Thema fehlende Kitas und Heime sagte Hikel: „Die Unterkunft an der Rudower Straße wird nicht zu Lasten einer anderen Einrichtung der sozialen Infrastruktur gebaut.“ Und direkt an Damerau gewandt: „Indem Sie völlig abwegige Behauptungen in die Welt setzen und alles irgendwie in sinnentstellender Weise miteinander in Verbindung bringen, schüren Sie ganz bewusst Ängste, Verunsicherung und Vorurteile.“

Die Kundgebung am 29. September, zu der die AfD aufgerufen hatte, war für sie kein großer Erfolg. Rund 15 Menschen erschienen, um an der Rudower Straße gegen die geplante MUF zu protestieren. Zehnmal so viele Gegendemonstranten waren vor Ort – darunter Mitglieder der SPD, Grünen und Linken, der IG Metall, der Initiativen „Hufeisern gegen Rechts“ und „Rudow empört sich“ sowie der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.

Rund 150 Gegendemonstranten kamen am 29. September an die Rudower Straße. | Foto: Stephanus Parmann
Blieben weitgehend unter sich: Die AfD konnte nicht viele Teilnehmer für die Kundgebung gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft mobilisieren. | Foto: Foto: Stephanus Parmann
Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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