"Eine Brücke zur Naturbeobachtung"
Eine Digital-Waage macht Bienenhaltung für technikbegeisterte Jugendliche interessant
Die Bienen-Arbeitsgemeinschaft (AG) an der Lise-Meitner-Schule, Rudower Straße 184, gibt es schon seit vielen Jahren. Doch nun freuen sich die Lehrer und Jugendlichen über eine Errungenschaft, die ganz neue Möglichkeiten eröffnet – eine digitale Stockwaage.
Sie fliegen wieder. Zehn Grad Außentemperatur brauchen die Bienen mindestens, um auf Pollen- und später auf Nektarsuche zu gehen. Fünf Völker leben derzeit auf dem Dach der Schule, im Winter zählen sie jeweils rund 10 000, im Sommer 60 000 fleißige Arbeiterinnen.
Was in den Völkern gerade vor sich geht, können die Elft- und Zwölftklässler und ihr AG-Leiter Jörg Tannen nun exemplarisch an einem der Stöcke ablesen. Denn der steht auf der neuen Waage. „Das aktuelle Gewicht wird übers Internet in Echtzeit an alle, die einen Zugang haben, gesendet. Wir können daran zum Beispiel erkennen, wie aktiv die Bienen sind, was sie eingetragen haben und wann die Tracht vorbei ist“, erklärt Tannen.
Was passiert im Bienenstock?
So beobachteten die Schüler um den 20. März herum, wie der Stock leichter und leichter wurde. Ein Zeichen dafür, dass die die Bienen ihre Vorräte verzehren, die Königin Eier legt und die Brut läuft. Also alles paletti. Aber die Waage, in der ein Computer integriert ist, bietet noch mehr Optionen: Beispielsweise können Temperaturmesser angeschlossen werden, die Aufschluss darüber geben, wie die Tiere sich gerade in ihrem Stock verteilen – wo viele sind, ist es wärmer.
Eines der Grundanliegen von Tannen ist, auch Schülerinnen und Schüler für das Thema Bienen und Naturschutz zu begeistern, die sich eher für Technik interessieren. Und davon gibt es etliche, schließlich ist die Schule ein Oberstufenzentrum für Chemie, Physik und Biologie und bildet daneben technisch-biologische Assistenten aus. „Datensammeln, Datenverschicken und Ähnliches kann eine Brücke zur Naturbeobachtung bauen“, so Tannen.
Eine Brücke wird auch zu vier Schulen in anderen Stadtteilen geschlagen, denn auch sie haben digitale Stockwaagen bekommen. Möglich gemacht wurde das Projekt durch Fördergeld der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz. „Wir können nun die Daten der Schulen übereinanderlegen und beispielsweise mit den Wetterdaten vergleichen. Was ändert sich für die Bienen, wenn es an einem Standort regnet, wie wirkt sich das mildere Klima in der Innenstadt aus? Oder auch die Frage klären: Sammeln die Bienen mehr, wenn sie mehr Platz im Stock zur Verfügung haben?“
150 Kilo Honig 2018
Neben aller Wissenschaft und Analyse soll aber auch die Praxis nicht zu kurz kommen. Jeden Freitagnachmittag treffen sich die AG-Mitglieder. Sie kontrollieren, ob alles in Ordnung ist, ersetzen defekte Waben-Rahmen, bekämpfen im Spätsommer nach der letzten Honigernte die gefährliche Varroa-Milbe mit Ameisensäure, sie ernten, schleudern, füllen Obst-, Robinien- und Lindenhonig ab und verkaufen ihn.
Die Ausbeute im vergangenen Jahr betrug rund 150 Kilo, die Nachfrage bei Schülern und Eltern war groß. Im Winter gilt es dann, alte Waben einzuschmelzen und daraus Kerzen zu ziehen. In diesen Tagen stand der Bau von Nisthilfen für Wildbienen auf dem Programm. In der Werkstatt der Schule wurden aus Holz, Lehm und Schilfhalmen Insektenhotels gebaut. Den Begriff mag Jörg Tannen allerdings nicht: „Die Solitärbienen verbringen fast ihr ganzes Leben in diesen Bauten. Wer wohnt schon dauerhaft im Hotel?“
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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