Das Reifenwerk ist Geschichte: Zeitzeugen dokumentieren 60 Jahre Firmengeschichte
Seit 1944 wurden am Adlergestell Reifen produziert, 2008 war dann damit Schluss. Im vorigen Jahr wurde das Reifenwerk abgerissen. Jetzt dokumentiert eine Broschüre die Firmengeschichte.
Der Köpenicker Historiker Stefan Förster hat im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt eine Broschüre zu Gründung, Aufstieg, Abstieg und Abriss des Reifenwerks verfasst. Ein Großteil der Fotos stammen vom Autor dieses Beitrags. Dabei war dem Berliner Reifenwerk am Standort Schmöckwitz eigentlich eine deutlich kürzere Geschichte in die Wiege gelegt. Als Georg Müller 1944 am Adlergestell mitten im Wald die Reifenfabrik baute, war das nur zulässig, weil der Betrieb LKW-Reifen für die Wehrmacht fertigte und damit kriegswichtig war. Der Pachtvertrag mit der Forstverwaltung wurde nur für die Dauer des Kriegs geschlossen.
Der Krieg ging verloren, die Russen kamen, und die setzten weiter auf die Arbeit von Georg Müller und seinen Mitstreitern, denn auch die Sowjetarmee brauchte Reifen. Schnell wurden die Kriegsschäden repariert, und Reifen-Müller wollte den Betrieb vergrößern. Dabei hatte er aber nicht mit den Plänen der neuen Machthaber gerechnet. Die haben den erfolgreichen Unternehmer nämlich 1953 enteignet, sogar sein Haus in Rauchfangswerder nahmen ihm die SED-Machthaber weg. Das Berliner Reifenwerk firmierte fortan als Volkseigener Betrieb (VEB).
Horst Reitt von Beginn dabei
Einer der von Anfang an dabei war, ist Horst Reitt (85). Der fing 1950 als Produktionsarbeiter in Schmöckwitz an. „Damals war die Reifenherstellung noch das dominierende Geschäftsfeld, die Runderneuerung war sekundär“, erinnert er sich. Nebenbei hat Reitt dann DDR-typisch die Schulbank gedrückt und sich qualifiziert, wie Fortbildung damals genannt wurde. Erst zum Vulkaniseur, dann zum Schichtmeister und später nach einem Studium als Ingenieur für chemische Verfahrenstechnik. Im Jahr 1968 wurde er technischer Direktor. Im Jahr 1983 hat Horst Reitt die Servicestation aufgebaut, in der private Autobesitzer ihre Reifen wechseln lassen konnten. Die Station hat im Gegensatz zum eigentlichen Reifenwerk überlebt, heute steht dort der Name an der Fassade, mit dem 1944 alles begann. Allerdings hat die Familie von Georg Müller mit der heutigen Reifenfirma nichts mehr zu tun.
Ab Sommer 2015 wurde das Areal des Reifenwerks für rund 4,3 Millionen Euro beräumt. Dabei mussten rund 150.000 Kubikmeter umbauter Raum abgerissen werden. Restarbeiten, darunter auch die Fertigstellung eines Fledermausbunkers, sollen in den nächsten Monaten erfolgen.
Die Broschüre mit vielen Informationen über das Berliner Reifenwerk, Abriss und Renaturierung bekommen Interessenten kostenlos im Lehrkabinett am Teufelssee, Müggelheimer Damm 144, geöffnet ist Montag bis Donnerstag und Sonntag von 10 bis 16 Uhr.
Autor:Ralf Drescher aus Lichtenberg |
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