Ein Verein ringt um den "Bürgergarten der Erinnerung"
Ob sie denn hier richtig sei im Bürgergarten der Erinnerungen? Eine Dame, die Barbara Gstaltmayr kürzlich besuchte und diese Frage stellte, war den Tatsachen in Gedanken offenbar ein Stück voraus. Denn noch gibt es ihn nicht, diesen Garten. Und ob sich die leicht verwilderte Freifläche auf dem Grundstück der Wissmannstraße 11 tatsächlich in einen Gedenkort verwandeln lässt, wird abhängen vom Durchhaltewille Barbara Gstaltmayrs - und den Vorstellungen des Eigentümers, dem Geschäftsmann Ralf Schmitz.
Worum es hier geht, das ist aus Gstaltmayrs Sicht die Chance auf einen "authentischen Ort des Erinnerns". Denn während das Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Grunewald Deportation von Juden in ihrer Gesamtheit beleuchtet, gelänge im Garten an der Wissmannstraße ein Blick auf das Schicksal einer einzelnen jüdischen Familie. Hier lebte einst der Kaufmann Artur Barasch mit seiner Frau Irene und den Kindern Else und Werner. Hier verloren Menschen ihr Zuhause und ihre Existenz. Artur Barasch starb in einem Konzentrationslager; ein Stolperstein vor dem Haustor glänzt gegen das Vergessen.
Wie die Baraschs in ihrem jetzigen Zuhause lebten, das würde Gstaltmayr gerne auch Fremden erzählen. Ob man nun Lesungen aus dem Fluchttagebuch Werner Baraschs veranstaltet, Schulklassen empfängt oder Ausstellungen organisiert - den Verein treiben unzähligen Ideen um.
"Man könnte auch Familienfeste feiern, wie es sie hier früher gab", sagt die Initiatorin. Doch bevor all das Wirklichkeit wird, müsste der Verein das Grundstück kaufen. Sein Angebot liegt bei 1,9 Millionen Euro, die er mit Hilfe von Stiftungen aufbringen könnte. Doch zu konkreten Verhandlungen mit dem Eigentümer ist es zum Bedauern Gstatelmayrs bisher nicht gekommen.
Immobilienunternehmer Ralf Schmitz hat das Grundstück rechtmäßig erworben und wohl auch das unbestrittene Recht, in der Wissmannstraße 11 neben der bestehenden Villa und dem Gartenhaus, in dem Gstaltmayr zur Miete wohnt, ein weiteres Wohnhaus zu errichten. Aber die Initiative bittet ihn, auf eben dieses Recht zu verzichten.
"Es hat etwas mit Zurückgeben zu tun", meint Gstaltmayr. Sie möchte gemeinsam mit den Nachkommen der Familie Barasch ein Zeichen der Versöhnung setzen, einen Ort gestalten, an dem man sich erinnert und bildet. Die Reihe der Unterstützer zieht sich vom SPD-Politiker Philipp Mühlberg über den Direktor der Gedenkstätte Sachsenhausen bis zum Bundespräsidenten Joachim Gauck. Zustimmung signalisiert auch Baustadtrat Marc Schulte (SPD), der allerdings seitens des Bezirks keine Handhabe sieht, helfend einzugreifen.
Auch Schmitz steht mit den Angehörigen zum Durchführen von Gedenkprojekten in Kontakt, wie sein Sprecher Hans Obermeier betont. Weder baulich noch kaufmännisch werde etwas mit dem Grundstück geschehen, bevor die Behörden über den Bauantrag beschieden haben. Kaufangeboten wird sich Ralf Schmitz nicht verschließen. "Es steht der Interessengemeinschaft wie jedem anderen Investor frei, ein Angebot mit den üblichen Rechts- und Finanzierungszusagen vorzulegen", lässt Obermeier sie wissen.
Für Barbara Gstaltmayr wird das zum Problem. Stiftungsgelder für den Aufkauf des Grundstücks ließen sich wohl kaum gewinnen, bevor eine Absichtserklärung zum Verkauf seitens des Eigentümers vorliegt. Und so bittet Gstaltmayr nochmals um ein Treffen mit Schmitz zum Ausloten der Möglichkeiten für die Einigung. Ungeachtet dessen startet in diesen Tag ein Erinnerungsprojekt mit Schülern des Rathenau-Gymnasiums. Die Jugend begibt sich auf Familie Baraschs Spuren. Wie auch immer das Ringen um den Bürgergarten weitergehen mag - das Erinnern hat begonnen.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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