„Besser als im Gefängnis zu sitzen“: Wie die Grunewald-Schule mit Hilfe von Sträflingen wieder in Schuss kam
Grunewald. Eine Schule hatte sich mit ihrem schäbigen Zustand abgefunden. Und für 60 Sträflinge schien eine Gefängnisaufenthalt unumgänglich. Dann aber griff ein besonderer Deal: Die Männer arbeiten ihr Strafmaß einfach ab durch Verschönerung der Schule. Am Ende gab es nur Gewinner.
Wenn das kein Stoff für eine Bühnenshow ist, was dann? Das Schulhaus heißt Adele, die strenge Inspektorin Leona. Das Haus findet seinen Zustand schäbig, aber die Inspektorin will davon nichts wissen. So bleibt das Haus marode und die Entscheiderin stur. Ein Schauspiel, präsentiert von Kindern, das Thema eine Farce aus der Welt der Erwachsenen. Am Tag, als die Grunewald-Grundschule in der Delbrückstraße 20 ihre Renovierung feiert, spielt man auf der Bühne eine wahre Geschichte nach.
Geldstrafen abarbeiten
Und die geht in der Welt der Erwachsenen so: Die Renovierung des Gebäudes scheint also ausgeschlossen, ist dem klammen Bezirk zu teuer. Dann aber kommt es plötzlich zu einer Wende. Nun stehen mehrere Dutzend Männer mit Pinseln im Flur. Männer, die eigentlich im Gefängnis sitzen müssten. Wobei auch das nicht wirklich stimmt. Denn eigentlich hatten sie Richter ja mit Geldstrafen aus der Verhandlung geschickt. Geldstrafen für Bagatelldelikte – aber aus Sicht der Herrschaften zu teuer, um sie bezahlen. Also hätten sie ersatzweise ins Gefängnis gemusst. „Aber das wollten die Richter ja gar nicht. Denn die Anstalten sind schon voll von denen, die dort Bagatelldelikten wie Schwarzfahren verbüßen.“ Das sagt Thomas Junge, Vereinsvorstand der Straffälligen- und Bewährungshilfe Berlin (SBH). Ziel der SBH ist es deshalb, eine Alternative zu schaffen. Das gemeinnützige Abarbeiten der Strafen, das ist eine Lösung, die am Ende nur Gewinner kennt.
Einrichtungen wie die Grunewald-Grundschule erhalten eine geldwerte Leistung, auf die sie ansonsten verzichten müssten. Und die Sträflinge tilgen ihre Tagessätze. 2300 solcher vom Richter bestimmten Sätze leisteten Männer wie Robert (26) binnen zwölf Monaten zum Wohle der Kinder ab. Nachdem er sieben Mal beim Schwarzfahren erwischt wurde und seine Mahnungen nicht beglich, summierte sich der fällige Betrag auf 2450 Euro. Statt zu zahlen, ließ sich Robert lieber in die Justizvollzugsanstalt Jungfernheide sperren. 13 Tage später war er wieder frei – und stand in der Grunewald-Schule als Maler. „Die SBH-Verantwortlichen schlugen mir vor, dass ich durch freiwillige Arbeit den Rest meiner Strafe abarbeiten kann“, erzählt der einsichtige Büßer. „Ich fand es super. Denn es ist besser als im Gefängnis zu sitzen. Da liegt man dem Staat auch noch auf der Tasche.“ In der Tat kostet jeder Tag, an dem ein Sträfling im Gefängnis zu versorgen ist, den Steuerzahler 110 Euro.
Somit bekennt sich auch Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) zum Model der SBH, lobt die routinierte Anwendung im Fall der Grunewald-Schule und packt das Motto der Aktion in drei Worte: „Schwitzen statt sitzen“. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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