Ernste und skurrile Geschichten
Halensee: ein Kiezspaziergang zum Hören
Wieder einmal legt Corona das kulturelle Leben lahm. Neben Konzerten, Theater, Lesungen und anderen Kulturveranstaltungen finden derzeit auch keine Führungen statt. Ganz verzichten muss man jedoch nicht auf informative Spaziergänge durch Kiez und Geschichte. Der Ortsteil Halensee kann zum Beispiel mit einem Hörspaziergang erkundet werden.
Am westlichen Ende des Kurfürstendamms locken zwar keine glitzernden Juweliergeschäfte und Boutiquen mit teurer Designermode. Dafür gibt es hier historische Superlative: Vor 140 Jahren fuhr durch Halensee – übrigens einem der kleinsten Ortsteile Berlins – der weltweit erste Oberleitungsbus. Oder: Im ausgehenden 19. Jahrhundert rasten Radfahrerinnen in Pluderhosen über die hiesige Rennbahn und die Presse war wahlweise begeistert oder schockiert.
Von wegen langweilig!
Den spannenden und originellen Geschichten aus der Historie von Halensee ist die Wahlhalenseerin Hannelore Ellersiek auf den Grund gegangen. Als sie 2007 nach Halensee zog, hatte sie zunächst das Vorurteil, Halensee sei ein langweiliger Ortsteil. Doch dann hatte sie angefangen, den Stadtteil für sich zu entdecken. Das Ergebnis war: Ellersiek hat so viel Spannendes und Skurriles herausgefunden, dass sie nun Halensee alles andere als langweilig empfindet. Mit dem Hörspaziergang möchte sie andere daran teilhaben lassen und ermuntern, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen. Unter anderem spürte Hannelore Ellersiek dem turbulenten Treiben eines riesigen Vergnügungsparks nach. Der Lunapark befand sich dort, wo heute die A100 die Stadt durchschneidet. Sie erzählt auch von Kolibakterien und was diese mit der Freikörperkultur zu tun haben.
Spaziergang mit 12 Stationen
Los geht der Audiowalk am S-Bahnhof Halensee. Hier endet der rund fünf Kilometer lange Spaziergang auch nach zwölf Stationen und zirka eineinhalb bis zwei Stunden. Es geht vorbei am alten Stellwerk und den Beton-Cadillacs. Die umstrittene Skulptur von Wolf Vostell sorgte seinerzeit zu heftigen Bürgerprotesten. Grund zu Beschwerden gab auch immer wieder das wilde und lautstarke Treiben im Lunapark. Der fünf Hektar große Vergnügungspark am Halensee bot Anfang des 20. Jahrhunderts ein Sammelsurium an Attraktionen. Darunter waren zum Beispiel Wasserrutsche und eine Wackeltreppe. Wer sich darunter nichts vorstellen kann – der Guide enthält auch Bilddateien mit historischen Aufnahmen.
Eine weitere Station ist der „FKK- und Saunaclub Artemis“. Was äußerlich wie ein Lagerhaus anmutet, entpuppt sich als größtes Bordell Deutschlands. Auch über dieses Etablissement hat Hannelore Ellersiek die eine oder andere Geschichte zu erzählen.
Rudi Dutschke und Otto Ostrowski
Im Laufe der unterhaltsamen Tour plaudert Hannelore Ellersiek darüber, warum der Friedhof Grunewald den Spitznamen Toteninsel hat, was es mit dem Geisterhaus am Kurfürstendamm 100 auf sich hat und sie weiß auch die eine oder andere Anekdote über berühmte Bewohner des Ortsteils zu erzählen. Sie erinnert an Ereignisse wie das Attentat auf Rudi Dutschke, an das heute eine Gedenktafel erinnert, die im Bürgersteig des Kurfürstendamm 141 eingelassen ist. Oder an den Berliner Oberbürgermeister mit der bisher kürzesten Amtszeit. Otto Ostrowski wohnte zeitweilig in der Westfälischen Straße. Warum er nach 133 Tagen Amtszeit zurück trat, auch darüber erzählt Hannelore Ellersiek.
Der Hörspaziergang durch Halensee ist ein Potpourri aus heiteren und empörenden, ernsten und skurrilen Geschichten im Berliner Westen. Erhältlich ist die Audiotour in der Smartphone-App guidemate.com. Sie kann für 7,99 erworben werden. Einmal heruntergeladen, wird unterwegs keine Internetverbindung benötigt. Ausgestattet mit Kopfhörern folgt man GPS-geleitet der Stimme von Hannelore Ellersiek, die den Audiowalk auch selbst eingesprochen hat und kann sich auf die Geheimpfade durch den Ortsteil begeben.
Weitere Infos auf www.guidemate.com.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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