Josje Schroot macht aus Relikten der DDR-Industrie Kunst
Die Lebkuchengewürze gibt es nicht mehr. Wasserentkeimungstabletten braucht heute kein Mensch. Und über Puddingpulver mit Mandelgeschmack lässt sich nur noch schmunzeln. Es kann kaum verwundern, dass solche DDR-Produkte so schnell vom Markt verschwanden wie die Mauer fiel. Aber auch sie hatten einmal ihre Berechtigung, glaubt Josje Schroot. Und die Verpackungen, die sind noch interessanter. Sie taugen in den Augen Schroots als Kunst.
"Mir gefällt die Graphik und Farbgestaltung der Kartons, die sich seit Jahrzehnten nicht geändert hat", erzählt die Anhängerin des kreativen Recyclings. Oftmals musste damals eine völlig überholte Vorkriegstechnik herhalten, wenn man in DDR-Fabriken Schachteln entwarf. "Einiges davon ist Bauhaus pur", begeistert sich Schroot für die Kunstströmung, die in Ostdeutschland insgeheim weiterlebte.
Doch neben den ästhetischen Reizen ging es der gebürtigen Niederländerin beim Erschaffen ihrer Kunstwerke auch um die Kritik an einer "überschnellen Abwicklung von Betrieben". Schroot besuchte in den Wendejahren selbst die brandenburgischen Fabriken und sah dort, wie Ingenieure ihre selbst entwickelten Maschinen persönlich wieder demontieren mussten: "Die Arbeitsplätze hatten den Menschen Selbstwertgefühl gegeben, egal ob es nun richtige Arbeit war oder erdachte."
Auch Schroot überkam am Tag der Grenzöffnung ein Gefühl der Euphorie, dem sie dadurch Ausdruck verlieh, dass sie mit ihrem Fahrrad durch das Brandenburger Tor fuhr. Zehnmal hin, zehnmal zurück. Ein Künstlerleben auf einer städtischen Insel, das war der West-Berlinerin gleich klar, würde es nicht mehr geben. Genauso wenig wie viele Alltagsprodukte des Ostens.
Was sie vor 25 Jahren vor der Tonne bewahrte, ist inzwischen zur Kunst gereift. "Freude am Einkauf" - ein solcher Slogan als Aufdruck einer DDR-Papiertragetüte mag aus heutiger Sicht befremden. Aber wer die Mangelwirtschaft selbst kannte, war wohl froh, wenigstens das heimtragen zu können, was man am dringendsten braucht. "Ein Ausstellungsbesucher sagte mir beim Anblick der Tüte, er habe sich damals beim Einkauf wirklich gefreut", berichtet die Künstlerin über verblüffende Reaktion.
Keines der Fundstücke hat sie sonderlich herausgeputzt - "sie sollen einfach und karg wirken, so wie es damals nun einmal war". Mit ihrer aktuellen Schau in der Bruno Taut Galerie in Zehlendorf hatte Schroot ganz bewusst bis zum Mauerfall-Jubiläum gewartet. Und nun erregte sie damit solches Aufsehen, dass die Ausstellung in Kürze weiterzieht - ins Deutschlandinstitut Amsterdam.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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