Nachtcafé gibt 23 Obdachlosen Geborgenheit
Donnerstagabend, 21 Uhr, minus acht Grad. Die Tür geht auf und Angel tritt herein. Wie ein großer Junge steht er da. Wie einer, der heimkam. Müde von einem Abenteuer, das er nicht wollte. In seiner orangefarbenen Winterjacke und der sauberen Kleidung wirkt der Obdachlose verhältnismäßig gepflegt. Dass seine Füße Erfrierungen haben, fällt bei dem festen Schuhwerk nicht gleich auf.
Angel möchte nicht draußen schlafen. Aber er möchte sich auch nicht mit hundert anderen vor der Notunterkunft am Hauptbahnhof drängeln. Um eine Nacht zu verbringen, in der er nicht friert, aber auch nicht wirklich ruht. Also geht er ins Nachtcafé.
Dieser Service ist derzeit wohl die wichtigste Leistung der City Station in der Joachim-Friedrich-Straße 46. Seine Wichtigkeit garantiert aber nicht den Fortbestand. Zu sozialen Preisen verkaufen Leiterin Anna Hanf und ihr Team im Restaurantbereich Speisen und Getränke. Und verzeichnen damit in den Bilanzen der Berliner Stadtmission ein dickes Minus. Trotz konstanter Zahlungen durch den Bezirk muss die Station bangen, sucht händeringend nach Partnern und Spendern.
"Es ist momentan richtig voll", sagt Anna Hanf zur angespannten Situation. "Wir hatten gestern zu viele Besucher und mussten einige weiterschicken." Wohin sie gehen? Jedenfalls nicht ins Ungewisse. Dafür sorgt Hanf, indem sie sich vorher mit anderen Nachtcafés telefonisch abstimmt. Aber trotzdem beherbergte sie vergangene Nacht 28 Menschen. "Eigentlich zu viele für eine kleine Unterkunft wie unsere", sagt Hanf. 23 Plätze sind es offiziell. "Aber es gibt ganz viele Gäste, die schlafen entweder hier oder nirgendwo."
Suppe löffeln, duschen, schlafen, neu einkleiden - das ist der typische Ablauf, jede Mittwoch- und Donnerstagnacht. Hunde sind willkommen, Trunkenheit wird meist geduldet. Das hat man nicht überall. Es duftet nach frischer Wäsche, obwohl der Trockner gerade den Geist aufgab, die Bäder sind geputzt. All das stiftet Geborgenheit. Wie lange noch? Die City Station, das glaubt Sprecher Dieter Puhl, braucht zum Überleben feste Partner, nicht nur Spender. Einzelne und Firmen, die auch mit anpacken. Angel vertraut auf diese Hilfe, obschon er nichts von den Schwierigkeiten ahnt. Auf der Bank vor dem Esstisch hat er sich unter Decken verkrochen, bis in den Schlafraum hat er es nicht mehr geschafft. Heute Nacht schläft Angel ruhig. Ums Überleben kämpft er erst wieder um 8 Uhr morgens.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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