Kältehilfe: Adventszeit in der City Station
Wenn die Thermometer Minuszeichen zeigen, wenn der Atem wölkchenweise verschwindet im Dunkel des Dezembers, dann weiß Sylvia Richter, was die Stunde geschlagen hat. Dann leistet ihre City Station wieder einmal mehr, als sie auf dem Papier können sollte. Dann reicht das Team noch mehr Suppen über den Tresen, die Schlange vor der heißen Dusche wird noch länger. Und der fliegende Wechsel kurz vor 21 Uhr muss noch schneller gelingen.
In dem Moment wird das soziale Restaurant zur Herberge für alle, die sonst draußen schlafen müssten. Nachtcafé heißt dieser Service mit 20 Plätzen - in der Praxis sind es 30. "Wir versuchen, niemanden abzuweisen", sagt die Leiterin. Aber wenn der Andrang weiter wächst - wie soll das gehen?
Die City Station ist der Ort, wo ab 1975 die inzwischen weitaus bekannteren Angebote der Berliner Stadtmission ihren Ursprung nahmen. Hier startete der Kältebus. Hier sammelte man Erfahrungen in Sachen Obdachlosenhilfe, als die Bahnhofsmission am Zoologischen Garten noch Zukunftsmusik war.
"Die City Station gibt den Gästen das Gefühl, nicht nur Bittsteller zu sein", erklärt Richter das Konzept, von den Besuchern Centbeträge zu verlangen. Das Bezirksamt finanziert seit Jahren immerhin einen kleinen personellen Stamm. Den Rest leisten 60 bis 70 ehrenamtliche Unterstützer. Aber vor allem an Weihnachten und Silvester, wenn die Besucher ein Festessen mit Bescherung erwartet, ist jede helfende Hand willkommen.
Selbst wenn der Rutsch ins neue Jahr reibungslos gelingt, bleiben bis ins nächste Jahr wichtige Fragen offen. Wer ersetzt die schwächelnde Waschmaschine? Richter weiß es nicht. Wer die Armut der Stadt verwalten muss, der müht sich von einem frostigen Abend zum nächsten, muss hoffen, dass die Nachbarn ihre Spendenfreude bewahren. Und träumt davon, dass vielleicht doch einmal ein Sponsor anfragt. Seit jeher das wichtigste Utensil: Schlafsäcke. Hier ist der Bestand schon zu Beginn des Winters fast aufgebraucht. Und spätestens in Januar droht ein Engpass.
Es ist 20.30 Uhr, da löffelt Yolanda die Schale leer, schielt schon einmal hinüber zu den provisorischen Betten. "Es ist hier so sauber und warm", sagt sie. "Und das Essen schmeckt." Yolanda ist eine der vielen Frauen, die der City Station mehr Vertrauen schenken als männlich dominierten Schlafplätzen wie dem am Hauptbahnhof.
Yolanda kennt Berlin im wahrsten Sinne des Wortes als ein hartes Pflaster, doch in ihrer rumänischen Heimat, da war es noch schlimmer: "Dort hatte ich keine Arbeit, keine Wohnung, kein Hoffnung."
Vor der Tür drängt sich schon ein Pulk der Frierenden. Man hört deutsche Wortfetzen, rumänische, polnische. Die junge Frau darf nach dem Abendessen da bleiben, kann sich eine Matratze aussuchen. Heute Nacht hat sie im Kampf mit dem Frost gesiegt.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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