60 Jahre Hansaviertel: Großes Jubiläumsfest am 9. September 2017

Interessanter Durchblick vom Hanseatenweg auf das Niemeyerhaus mit seinem Aufzugturm an der Altonaer Straße. | Foto: KEN
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Hansaviertel. Vor sechs Dekaden fand auf dem Areal des kriegszerstörten Hansaviertels die Internationale Bauausstellung, die „Interbau“, statt. Im Jahr zuvor hatten 53 renommierte Architekten, davon 19 aus dem Ausland, damit begonnen, das Stadtquartier im Stile der Nachkriegsmoderne wiederzuerrichten. Die Bomben des Zweiten Weltkrieges hatten dafür Platz geschaffen.

Auf dem Areal, das seit 1877 mit Häusern für das Großbürgertum dicht bebaut worden war, entstand ein Gegenbild zum Wohnungsbau des 19. Jahrhunderts, ein Versuchsfeld und eine Mustersiedlung des modernen Wohnens.

Der Senat hatte verschiedene Standorte für die Bauausstellung diskutiert. Die Wahl fiel auf das Hansaviertel, allein schon, weil es gut an den öffentlichen Verkehr angebunden und die Stadtmitte bequem zu Fuß zu erreichen war und weil nahe dem Großen Tiergarten zeitgenössisches Bauen im Grünen, „Stadtlandschaft“, erprobt werden konnte.

Zum Tiergarten öffnen

Den städtebaulichen Ideenwettbewerb 1953 hatten Willy Kreuer und Gerhard Jobst gewonnen. „Sie schlugen für das Hansaviertel zwei große, begrünte Gebäudebuchten vor, die sich nach Süden, zum Tiergarten hin öffneten“, beschreibt Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt den Plan. Die Anordnung der Häuser geriet dann doch etwas anders, weil man unter anderem die noch weitgehend vorhandenen unterirdischen Versorgungssysteme des vormaligen Quartiers nutzen wollte.

Bis 1957 bauten die Architekten, alle radikale Verfechter der Moderne, darunter Oscar Niemeyer, Walter Gropius und Alvar Aalto, unter dem Vorsitz von Otto Bartning 1300 Wohnungen in 36 Gebäuden, die „im Gelände so herumstehen“: große Sozialwohnanlagen, frei finanzierte zweigeschossige Mehrfamilienhäuser, Bungalows, zwei- bis dreigeschossige Wohnzeilen, vier- bis achtgeschossige Zeilenbauten und Punkthochhäuser. Vorbilder für das zentrumsnahe Wohnparadies des Großstadtmenschen fanden sie in Frankreich, Großbritannien und Skandinavien.

Millionenspende

Etwas zu kurz kamen überlokal bedeutsame öffentliche Einrichtungen. Das änderte sich erst mit der Millionenspende des gebürtigen Berliners und dollarschweren Kunstharzfabrikanten aus Detroit, Henry H. Reichhold. Mit dem Geld konnte 1959/60 auf einem Grundstück, das ursprünglich für Einfamilienhäuser vorgesehen war, die Akademie der Künste nach einem Entwurf Werner Düttmanns errichtet werden. „Der Spiegel“ schrieb damals: „Der Spendenfreude eines Auswanderers verdankt Berlin, dass mit dem Bau eines Monuments begonnen werden kann, in dem sich die hauptstädtischen Ambitionen der entthronten Metropole manifestieren.“

Die Berliner Interbau war nicht die erste bedeutende Architektur-Ausstellung nach Kriegsende. 1951 fand in Hannover die Constructa statt. „So etwas müssen wir in Berlin auch haben“, befanden der damalige Berliner Bausenator Karl Mahler (FDP) und sein Senatsbaudirektor Ludwig Lemmer (CDU). Die Interbau war politisch-ideoogisch aufgeladen. Sie war das Gegenstück zum „Nationalen Aufbauprogramm“ der DDR an Stalinallee, heute Karl-Marx-Allee, und Weberwiese. Bausenator Mahler sah die Interbau als „klares Bekenntnis der Architektur zur westlichen Welt“. Politiker in Bonn und West-Berlin und die Vertreter der westlichen Besatzungsmächte wünschten „eine wirkungsvolle Darstellung dessen, was Demokratie zu leisten imstande war“, so Architekturhistoriker Pehnt.

Weltkulturerbe?

Die Hansaviertel-Bewohner von heute sind sich der Bedeutung ihres denkmalgeschützten Quartiers bewusst und wünschen sich sehr die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste. Zum Jubiläum des vollständig erhaltenen Architektur- und Gartenensembles wird am 9. September auf dem Hansaplatz ein großes Fest gefeiert. Organisatoren sind der rührige Bürgerverein Hansaviertel und das nicht minder ins Quartier ausstrahlende Grips-Theater. Der Schirmherr und Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) wird das Fest um 12 Uhr eröffnen.

Ein umfangreiches buntes Bühnen-, Kultur- und Musikprogramm wartet auf große und kleine Besucher. Das Bühnenprogramm wird moderiert von Berlinale-Chef und Hansaviertel-Bewohner Dieter Kosslick. Zu erleben sind Filme und Gespräche mit Zeitzeugen, Architekten, Denkmalschützern und Bewohnern sowie Diskussionen zu aktuellen verkehrs- und stadtpolitischen Fragen mit Vertretern des Senats, des Bezirks, der Verkehrsbetriebe und des Landesdenkmalamts.

Theater und Tanz

Das Grips-Ensemble führt Songs aus seiner Familienkomödie „Laura war hier“ auf. Die Millibillies-Band versetzt das Publikum mit Grips-Hits in Schwingung. Es singen der Chor der Hansa-Grundschule und der Moabiter Motettenchor. Es tanzen die Tanz-AG des Gymnasiums Tiergarten und Mitglieder der Ballettschule Danzearte.

Am Nachmittag lädt der Bürgerverein Architekturinteressierte zu einem Rundgang durch das Hansaviertel ein. Zum Ausklang des Festes spielt die Band „1-2-Dance“ auf. BSR, das Kultur-Erbe-Netz Berlin, ein unabhängiger Arbeitskreis bürgerschaftlicher Initiativen für den Erhalt des Kulturerbes und von Denkmalen sowie das Buchstabenmuseum präsentieren sich an Informationsständen. Am Stand der Polizei kann man sich das Fahrrad codieren lassen. KEN

Das gesamte Festprogramm findet sich unter www.hansaviertel.eu.
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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