Alle außer das Einhorn: Grips-Theater zeigt Stück zu Cybermobbing
Hansaviertel. Annähernd 13 Prozent der Schüler in Deutschland sind schon einmal Opfer von Mobbing im Internet geworden. Zu diesem Ergebnis kommt die neueste Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing. Und das Grips-Theater trifft wieder einmal den Nerv der Zeit. „Alle außer das Einhorn“ ist sein Stück zu dem ernsten Thema.
Wenn sie den Einhorntag – laut der Zeitung "Die Welt" ist das Einhorn ein bei Bloggern, auf Twitter oder Facebook höchst beliebtes und geschätztes Außenseitersymbol – wenn sie also diesen Einhorntag wiederholen könnte, würde sie alles anders machen, sinniert die von Luisa-Charlotte Schulz verkörperte Netti, die Protagonistin des Stücks der Moabiter Autorin Kirsten Fuchs (Lesebühne „Fuchs&Söhne“). „Ich würde einfach klüger sein. Ich würde mutiger sein.“
Was ist geschehen? Die Zwölfjährige aus bürgerlichem (Helikopter-)Elternhaus hat im Klassenchat auf Whatsapp – 95 Prozent der Vierzehn- bis Fünfzehnjährigen nutzen den Kommunikationsdienst, so eine repräsentative Umfrage des Branchenverbands Bitkom – nur einen Freund verteidigt. Das war scheinbar ein Vergehen. Blitzschnell verbreiten sich Lügen, Demütigungen und Hasskommentare über sie im Netz. Wie in einer griechischen Tragödie drängt die Handlung neben Netti auch Fever (Amelie Köder), Julius (Fredric Phung), Mutter, Lehrerin (beide Regine Seidler), Vater und Busfahrer (beide René Schubert) in Richtung Katastrophe: Nettis Ausschluss aus anderen Gruppen, Verrat untereinander, am Ende ein – ganz reales – Verprügeln, das beinahe den Tod des Opfers zur Folge hat. Keine leichte Kost für Theaterbesucher ab elf Jahre, aber notwendig.
Das Drama ist von Regisseur Robert Neumann dicht inszeniert und wird in rund 90 Minuten ohne Pause durchgespielt. Dank Kirsten Fuchs' eigenem, schrägen Humor, dem Bühnenbild von Georg Burger und der Musik von Matthias Witting gibt es zwischendurch auflockernde Szenen.
Immer wieder sei das Thema „Cybermobbing“ an das Grips-Theater herangetragen worden, sagt Pressesprecherin Anja Kraus. „Mit Kirsten Fuchs wurde eine Autorin gefunden, die bereit war, sich damit intensiv zu beschäftigen“, so Kraus. Michael Ambros, ein für Friedrichshain-Kreuzberg zuständiger Präventionsbeamter der Berliner Polizei, gab dem Theaterteam wichtige Informationen.
Cybermobbing beinhaltet zahlreiche strafrechtlich relevante Handlungen wie Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, Bedrohung, Nötigung, Erpressung, Verletzung des Briefgeheimnisses und die des Rechts am eigenen Bild. Unter Beleidigungen und Beschimpfungen im Internet leiden mit einem Anteil von 77 Prozent vor allem Mädchen. Trotzdem, sagt Autorin Fuchs, die selbst Bloggerin ist und verschiedene soziale Medien nutzt, habe sie kein Stück gegen das Internet geschrieben. „Der Straßenverkehr ist viel schlimmer und man schreibt auch keine Stücke gegen Autos.“ Erwachsene sollten viel mit Kindern über das Internet reden, damit sie wie im Straßenverkehr „verkehrstüchtig“ werden.
„Ich kann die Faszination verstehen; wie Jugendliche das Netz nutzen, auch welche Fähigkeiten da entwickelt werden, welche kreativen Potentiale sich entfalten können“, meint Regisseur Neumann, der die digitalen Welten nach eigenem Bekunden nicht verteufeln will.
Bis zum Ende der Spielzeit sind fast alle Vorstellungen von „Alle außer das Einhorn“ ausverkauft. Das Stück wird aber in die nächste Spielzeit übernommen. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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