Buch über Hansaviertel und Karl-Marx-Allee als erster Schritt zum Weltkulturerbe
Mitte. In Berlin gehören die Museumsinsel und sechs Wohnsiedlungen der Moderne zum Weltkulturerbe. Jetzt sollen noch das Hansaviertel und die Karl-Marx-Allee auf die Liste der Unesco. Ein „Volksbuch“ ist der erste Schritt auf dem Weg zum Welterbe-Antrag. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hat es in der Akademie der Künste am Hanseatenweg vorgestellt.
Es werde ein steiniger und langer Weg bis zum Weltkulturerbe und man brauche einen langen Atem, meinte Lederer. Ein erster Versuch, überhaupt auf die deutsche Vorschlagsliste, die sogenannte Tentativliste, zu kommen, ist nämlich gescheitert. Der Antrag sei zurückgegeben worden „zum Nachsitzen, Nachbereiten, nochmaligen Nachdenken“, meint Jörg Haspel. Berlins Landeskonservator ist Herausgeber von „Karl-Marx-Allee und Interbau 1957. Konfrontation, Konkurrenz und Koevolution der Moderne in Berlin“.
Jetzt wird ein zweiter Anlauf unternommen. „Das Buch wird nicht das einleitende Kapitel zum Antrag sein“, sagte Thomas Flierl, Linken-Politiker, Ex-Senator und zweiter Herausgeber dieses 47. Bandes der „Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin“. Die circa 142 Seiten starke, mit zahlreichen farbigen Abbildungen versehene Publikation solle vielmehr das Buch zum Antrag sein, der Antragsinitiative, so Flierl weiter. Es ist nicht für eine Fachöffentlichkeit bestimmt, sondern für ein breites Publikum. Es beinhaltet Grußworte, verständlich geschriebene, fachwissenschaftliche Aufsätze, einen Denkmalkatalog, in dem die Bauten der Architekturantipoden beschrieben und abgebildet sind. Und es kommen Bürger zu Wort.
Denn den Weltkulturerbeantrag für das „doppelte Berlin“, Ergebnis der geteilten Stadt, zu deren prominentesten Doppelungen das Hansaviertel und die Karl-Marx-Allee gehören, haben bürgerschaftlich engagierte Berliner angestoßen: der Bürgerverein Hansaviertel, der Verein der Freunde des Corbusier-Hauses in Charlottenburg (auch diese Wohnmaschine in der Flatowallee wird einbezogen), der Verein „Die Allee“ und die Hermann-Henselmann-Stiftung, deren Vorsitzender Flierl ist. „Wir hoffen auf eine breite Resonanz“, so Thomas Flierl, der das Buch auch für Stadtspaziergänge empfiehlt.
Die Besonderheit der Veröffentlichung hob Senator Lederer hervor: „Die Projekte im Osten und die Projekte im Westen werden nicht jeweils für sich betrachtet. Sie werden als gemeinsames Kulturerbe, als gemeinsames Zeugnis einer einmaligen weltpolitischen Lage betrachtet, als sich in einer Stadt zwei Systeme feindlich gegenüberstanden.“
Im Westen das Hansaviertel als „Schaufenster der Freiheit“, so der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt in seinem Buchbeitrag, im Osten die zwei Kilometer stalinistisch-neoklassizistische Monumentalarchitektur. Für die damalige Zeit waren die Neungeschosser der „ersten sozialistischen Straße in Deutschland“ modern ausgestattet: mit Aufzug, Müllschlucker, Zentralheizung, Parkettboden. Wovon diese „Paläste für das Volk“ in ihrem reichen Fassadenschmuck aus Meißener Keramik nicht erzählen, ist die Revolte ihrer Bauarbeiter, die sich zum Aufstand auswuchs und am 17. Juni 1953 mithilfe sowjetischer Panzer niedergeschlagen wurde. Danach wurde bis 1965 weitergebaut.
Berlin und seine Akteure im Hansaviertel, in Charlottenburg, Mitte und Friedrichshain haben jetzt rund fünf Jahre Zeit, um der Kultusministerkonferenz deutlich zu machen, weshalb dieses doppelte Berlin Teil ihres kulturellen Gedächtnisses sein soll. „Das ist ein sehr hoher, hehrer Anspruch“, sagte Jörg Haspel. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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