Kunstaktion und Demonstration
Fast 200 Schafe ziehen zum Hansaplatz
Begleitet von zahlreichen Neugierigen ist am 15. September eine Schafherde mit 197 Tieren vom Haus der Kulturen der Welt zum Hansaplatz gezogen. Die Aktion war Teil des Kunstprojekts „Kunst im Stadtraum am Hansaplatz“ und zugleich eine Demonstration für die Schäferei in Deutschland.
Der Weg der Schwarzkopfschafe von Schäfermeister Knut Kucznik aus Altlandsberg im Landkreis Märkisch-Oderland führte zunächst über Parkwege im Großen Tiergarten bis zu Schloss Bellevue und anschließend über den Spreeweg, den Großen Stern und die Altonaer Straße zum Hansaplatz. Kucznik wurde von Kollegen aus ganz Deutschland begleitet. Für den Zug sperrte die Polizei die Straßen kurzfristig für den Verkehr. Nach rund anderthalb Stunden erreichte die Wanderschafherde ihren provisorischen Pferch hinter der Hansabibliothek. Dort gab es eine Kundgebung.
Mit der Aktion soll für den Erhalt der Schäferei sowie mehr Grün und Ökologie in der Stadt demonstriert werden, sagte Elke Falat. Sie ist die künstlerische Leiterin des Projekts „Kunst im Stadtraum am Hansaplatz“. Die Schafsaktion, die „Nachbarn auf Zeit“, so Falat, sei ein Teil davon.
Insgesamt fünf Beiträge wurden in einem Wettbewerb ausgewählt. Sie sind ganz unterschiedlich und reichen von einer Filmoper über Installationen und Performances bis zu Mitmachaktionen wie die „Nachbarn auf Zeit“ der Künstlerin Folke Köbberling.
Fünf Tiere aus Knut Kuczaks Herde bleiben für vier Wochen am Hansaplatz und werden in dieser Zeit von 16 Anwohnern betreut. Ihr Schafstall ist eine mit Wolle der Tiere verhangene Hütte. Vor Ort werden Workshops zur Wollverarbeitung angeboten: am 28. September, 15 bis 18 Uhr, mit Folke Köbberling, und am 2. Oktober, 16.30 bis 19 Uhr, mit der Textildesignerin Yolanda Leask. Treffpunkt ist jeweils an der Hansabibliothek.
Vision einer Stadt von morgen
„Wir sind der Meinung, dass Kunst und Gesellschaftspolitik sich nicht ausschließen“, sagte Elke Falat zu Kunstaktion und Demonstration. Den Bezug zum Hansaplatz erläuterte die künstlerische Leiterin gleich mit. Das Hansaviertel, in dem der Platz liegt, sei als „eine Utopie, als eine Vision der Stadt von morgen“ gebaut worden. „Diese Aktion soll eine Denkfigur für mehr Tiere und weniger Autos in der Stadt sein und wie man sich vielleicht die Stadt der Zukunft anders vorstellen kann“, so Falat.
Die Freiflächen im Hansaviertel, das „soziale Grün“, würden zu wenig von seinen Bewohnern genutzt, sagte Künstlerin Folke Köbberling. „Vielleicht müssen wir es wieder selber belegen. Und jetzt belegen es eben fünf Schafe.“ Köbberling hat einen Wunsch: „Dass die Schafe wie in anderen Gebieten der Welt ohne Zaun von A nach B gehen können, von einer Wiese hier irgendwann, wenn die Autofahrer langsamer fahren oder es sie gar nicht mehr gibt, sich auf die anderen Wiesen verteilen können.“
Schäfermeister Knut Kuczik, der zugleich Vorsitzender des Schaf- und Ziegenzuchtverbandes Berlin-Brandenburg ist, sowie der Vorsitzende der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände, Alfons Gimber, und der Sprecher des Bundesverbandes der Berufsschäfer, Andreas Schenk, nutzten die Gelegenheit, um auf die prekäre Situation ihres Berufsstandes und auf die Wolfsproblematik aufmerksam zu machen und finanzielle Unterstützung von der Bundesregierung zu fordern. Kucznik: „Wir werden vergessen, weil wir immer weniger werden.“
Für die Workshops ist eine Anmeldung notwendig: info@kunst-im-stadtraum.berlin; bitte Eimer mitbringen.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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