Fotografien von Gisèle Freund im Hanseatenweg
Jean-Paul Sartre sieht sein Gegenüber freundlich an. Der französische Philosoph und Schriftsteller sitzt 1966 in Paris in einem blauen Strickpulli gemütlich auf einem schlichten Stuhl, den linken Arm lässig auf die Lehne gestützt, in der Hand eine Zigarette. Der rechte Arm ruht auf dem angewinkelten linken Bein. Dahinter türmen sich auf einem kleinen Schreibtisch Papiere. An der Wand hängen Fotos von Freunden.
Als Gisèle Freund berühmte Menschen im Bild festhielt, waren es die Schriftsteller, bildenden Künstler oder Politiker noch nicht gewohnt, sich für eine gewinnträchtige Imagekampagne in Pose zu werfen. So zeigen die Schwarzweiß- und Farbbilder der 1908 in Schöneberg geborenen und 1933 nach Paris emigrierten und 2000 verstorbenen, deutsch-französischen Reportage- und Porträtfotografin ihre Modelle in ihrem privaten Umfeld, in den eigenen vier Wänden. Das war damals neu, nahezu unerhört.
Man sieht, wie sie leben, arbeiten, im Café sitzen, im Park spazieren. Gisèle Freund gab dem Geistesleben ihrer Zeit ein Gesicht. Ihre Bilder prägen bis heute das Bild, das man von den Porträtierten hat - von Künstlern wie James Joyce, Simone de Beauvoir, Virginia Woolf oder Frida Kahlo.
Für eine Ausstellung in der Akademie der Künste am Hanseatenweg haben die Kuratoren Janos Frecot und Gabriele Kostas mehr als 50 Porträtfotografien ausgewählt und digital nach dem neuesten technischen Stand bearbeiten lassen. Ein Schwerpunkt sind Freunds Aufnahmen des deutschen Philosophen Walter Benjamin. Mit ihm verband die Fotografin nicht nur ein Interesse für die Kunst, sondern vor allem Freundschaft und Solidarität im Pariser Exil.
Am Anfang der Bilderschau stehen allerdings Berlin-Fotografien aus dem Bestand der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Gisèle Freund nahm die Bilder 1957 und 1962 auf. Damals war sie als Besucherin aus Paris in ihrer Geburtstadt.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.