Nationalgalerie arbeitet mit einer Ausstellung die "schwarzen Jahre" auf
Moabit. Geschichte in Geschichten erzählen – so nähert sich die Nationalgalerie ihren „schwarzen Jahren“ während des Nationalsozialismus in einer äußerst erhellenden Ausstellung im Hamburger Bahnhof an.
Die Geschichte der Sammlung der Nationalgalerie zwischen 1933 und 1945 ist nicht etwa geprägt von Werken wie den übergroßen Muskelprotzen eines Arno Breker. Die Beziehung zwischen Künstlern, Werken, Gesellschaft und Museum war viel komplexer in den von Diktatur, Krieg und Holocaust bestimmten zwölf Jahren. Kurator Dieter Scholz legt ihre Vielschichtigkeit in sieben Themenbereichen dar – von „Streit um die Moderne“ über „Emigration“ und „Aktion Entartete Kunst“ bis zu „Verfolgung“.
„Sie zeigt, wie Zeitgeschichte sich aus einzelnen Geschichten zusammensetzt. In diesem Fall sind es die Geschichten einzelner Kunstwerke, ihrer Produzenten, Händler, Mäzene und Kritiker sowie der Museumsmitarbeiter und der mit Kunst befassten Politiker und Verwaltungsbeamten“, so Nationalgaleriedirektor Udo Kittelmann über die Ausstellung.
Eine Geschichte geht so: Im Dezember 1933 feierte die nationalsozialistische Presse den norwegischen Künstler Edvard Munch aus Anlass seines 70. Geburtstages als „nordisch-germanischen“ Künstler. Auch Propagandaminister Joseph Goebbels gratulierte. Das hinderte das Regime nicht, vier Jahre später Munchs „Melancholie“ aus dem Bestand der Nationalgalerie zu entfernen und 1939 in Oslo zu verkaufen. Munch galt mittlerweile als „pathologischer Problematiker“. Das Werk konnte 1997 ein zweites Mal für die Nationalgalerie erworben werden.
Der Verlust ist der rote Faden, der sich durch die Geschichten der 60 gezeigten Gemälde und Plastiken zieht und die Sammlungsgeschichte der Nationalgalerie im Wesentlichen prägt. Mehr als 500 Werke moderner Künstler wurden entfernt, als „entartet“ diffamiert, beschlagnahmt, anschließend, wenn „international verwertbar“, auf einer großen Auktion in Luzern gegen Devisen für die Kriegsvorbereitungen versteigert. Was „unverwertbar“ war, landete im März 1939 auf dem Hof der Berliner Hauptfeuerwache in Kreuzberg auf dem Scheiterhaufen.
In der Schweiz versteigert
Ein Beispiel für die herben Verluste ist Amedeo Modiglianis 1917/1918 entstandenes „Porträt Jeanne Hebuterne“. Das Werk gehörte zu einer Gruppe von 15 italienischen Gemälden, die im Rahmen eines Bildertauschs im Dezember 1932 nach Berlin kamen. Hermann Göring eröffnete „Neue italienische Meister“ im Februar 1933. 1937 landete das Bild im Sammeldepot „Entartete Kunst“ auf Schloss Schönhausen, weil der Künstler Jude war, und wurde schließlich 1939 in der Schweiz versteigert. Es befindet sich heute unzugänglich in einer Privatsammlung. Verschollen ist das „Schicksalsbild deutscher Kunst im 20. Jahrhundert“, Franz Marcs legendärer „Turm der blauen Pferde“ (1913). 1919 angekauft, 1937 in der Propaganda-Ausstellung „Entartete Kunst“ in München gezeigt, nach Protest unter anderem des Deutschen Offiziersbundes wieder zurück nach Berlin gebracht, geriet es in Görings Verfügungsgewalt und wurde zuletzt nach Kriegsende von Augenzeugen an unterschiedlichen Orten gesichtet.
Während der sanierungsbedingten Schließung der Neuen Nationalgalerie am Kulturforum werden Werke der klassischen Moderne in wechselnden Ausstellungen im Hamburger Bahnhof in der Invalidenstraße 50-51 gezeigt. „Die schwarzen Jahre. Geschichte einer Sammlung 1933-1945“ ist die erste Ausstellung und bis 31. Juli dienstags, mittwochs und freitags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt zur Ausstellung kostet acht, ermäßigt vier Euro. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.