Im Mauerwerk fanden sich Zeitzeugenberichte
Der 35 Meter hohe Juliusturm ist gewissermaßen die Keimzelle der Zitadelle, und damit auch Spandaus. Er wurde am Anfang des 13. Jahrhunderts errichtet, und schützte als Teil einer Burganlage einen Sitz der askanischen Markgrafen. Schon Slawen hatten in der Nähe des Zusammenflusses von Spree und Havel gesiedelt.
Wie ernst es den damaligen Baumeistern mit der Schutzfunktion war, zeigt eine Wohnebene im Turm, in der noch die Auslassung eines Kamins zu erkennen ist. Wäre die Burg erobert worden, hätten sich die Bewohner immer noch in den Turm zurückziehen können. Die Wände sind bis zu 3,6 Meter dick. Als im 16. Jahrhundert die Renaissance-Festung geplant und gebaut wurde, die noch heute als Zitadelle Spandau bekannt ist, blieben Turm und der benachbarte Palast erhalten.
Gleichwohl musste sich der Turm selten bewähren. 1813 wurde er allerdings beim Beschuss der Zitadelle, auf die sich die Napoleonischen Truppen zurückgezogen hatten, schwer beschädigt. Als dann kein geringerer als der preußische Baumeister Karl Friedrich Schinkel 1838 den Juliusturm mit dem bis heute vorhandenen Zinnenkranz krönte, wurde schon eine leichte Neigung des Turms berichtet. Sie gab es wohl schon länger. Spandaus Kunstamts- und Museumsleiterin Andrea Theissen, gewissermaßen beruflich die Burgherrin: "Die Zinnen sind unterschiedlich hoch." Dass der schiefe Turm von Spandau noch einmal gerade wird, ist nicht zu erwarten. Der U-Bahnbau im vergangenen Jahrhundert verfestigte die Schieflage, wegen der aber niemand mit dem Sturz des Turms rechnen muss. Schon nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurde hier ein Teil der französischen Kriegsentschädigung, der sogenannte Reichskriegsschatz, sicher verwahrt.
Gleichwohl braucht das mittelalterliche Bauwerk auch seine Pflege. Von 2013 an wurde die Entwässerung von den Zinnen auf ein Fallrohr verlegt und das Besucherpodest erneuert. Alle Fugen wurden ausgetauscht, weil früher unsachgemäß mit Beton ausgegossen, ebenso 2000 beschädigte Steine - sie mussten aufwendig passend zu den Gepflogenheiten während der Entstehung hergestellt oder in Abrissgebäuden geborgen werden.
Kein Geringerer als der langjährige Bürgermeister Werner Salomon (SPD), der 2014 verstarb, hatte die Sanierung mit angeschoben. Zu seinem 85. Geburtstag im Jahre 2011 sammelte er Spenden für den Turm. Wegen seines Todes ist die genaue Summe nicht zu erfahren.
Bei der Sanierung wurde auch Zeitgeschichte sichtbar. Im August 1932 hinterließen Bauarbeiter bei damaligen Sanierungsarbeiten ihre Alltagssorgen im Mauerwerk, festgehalten auf einer Art Butterbrotpapier. Das war noch in eine Flasche gepackt. Die Mitarbeiter der Firma Paul Florian Spandau, die auch an der Nikolaikirche in der Altstadt arbeitete, beklagen tägliche "Wirtschaftszusammenbrüche, 6,5 Millionen Arbeitslose, und Wirtschafsführer, die in Saus und Braus leben". In den Zeilen spiegelt sich der Untergang der Weimarer Republik.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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