Die Bibliothek ist die Gymnastikhalle für den Geist: Beim Lesen ist Spandau gut vernetzt
Spandau. „Eine Kindheit ohne Bücher wäre keine Kindheit“. Dieser Satz stammt von Astrid Lindgren und wird in Spandau ernst genommen. Hier steht die Leseförderung in Schulen an erster Stelle.
Der Gedichtband, das Geschichtsbuch, die Lernsoftware und Formelsammlung stehen gleich ganz vorn bei den Neuerwerbungen. Von wegen alt und verstaubt – die Schulbibliothek am Lily-Braun-Gymnasium macht einen aufgeräumten, modernen Eindruck. Kein Wunder, denn sie wurde gerade erst eröffnet. Sachbücher, Fachbücher und Themenkisten für die Tiefenrecherche füllen die Regale im früheren Filmraum der Schule. Doch nicht allein die Anzahl der Bücher steht hier im Vordergrund, sondern der Umgang mit Texten und Informationen. Es gibt Arbeitsplätze mit Internetanschlüssen, Laptops, Smartboards und Whiteboards, die den knapp 700 Gymnasiasten beim Recherchieren und Aufbereiten von Fakten helfen und Präsentationen ermöglichen. „So werden die Schüler zum kreativen Selbsttun angeleitet und motiviert“, sagt Schulleiterin Ulrike Kaufmann. Die Bibliothek als Selbstlernzentrum also, mit dem Ziel der Leseförderung.
Schulbibliotheken sind eher eine Rarität
Eigentlich sollte das überall selbstverständlich sein. Doch an vielen Schulen gibt es heute gar keine Schulbibliotheken mehr, weil den Bezirken das Geld für diese freiwillige Aufgabe fehlt. Also braucht es auch hier außerordentliches Engagement. Spandau hat es. Der Bezirk ist in Sachen Lesen gut vernetzt. Dank seiner Stadtbibliothek, die besonders mit den Grundschulen eng zusammenarbeitet. Elf Grundschulen im Bezirk haben mittlerweile eine schuleigene Bibliothek, die vom Bezirksamt mitverwaltet wird. Bei den Oberschulen sind es das Lily-Braun-Gymnasium und die Carlo-Schmid-Oberschule. „Mitverwalten“ heißt: die Stadtbibliothek sponsert Bücher oder leiht Bestände aus, stellt Bibliothekshelfer oder Lesepaten. Das Bezirksamt hilft mit Geld für Mobiliar oder PC-Arbeitsplätze weiter. Für die neue Schulbibliothek am Lily-Braun-Gymnasium zum Beispiel flossen aus dem Topf von Bildungsstadtrat Gerhard Hanke (CDU) knapp 5000 Euro. Doch auch die Schulen leisten ihren Anteil: finanziell und konzeptionell. Eltern und Lehrer schieben Schichten in den Bibliotheken, Fördervereine spenden kleine Summen oder malern. Am Lily-Braun-Gymnasium steuerte zudem der Lions-Club 4700 Euro für neue Bücherei bei und die AG Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg spendierte eine große Kisten Hugendubel-Bücher. „Die Schulen tun was sie können. Wir helfen mit Kontakten, Büchern und bei der Organisation. Das Bezirksamt steht dabei voll hinter uns“, sagt Gisela Rhein. Denn wie wichtig die Leseförderung ist, weiß die Leiterin der Kinder- und Jugendbibliothek Spandau nur zu genau. „Bewusstes Lesen fördert Gefühl und Fantasie, erleichtert das Lernen, erweitert den aktiven Wortschatz und bringt so Erfolge in der Schule.“ Das sollten Eltern frühzeitig fördern. Was so schwer nicht ist, denn in Berlin sind die Bibliotheksausweise für alle Schüler kostenlos.
Ende Juni eröffnet an der Grundschule am Birkenhain die nächste Schulbibliothek. Auch hier haben Schulleitung und Pädagogen den Kindern einen Raum geschaffen, in dem sie lesend in fremden Welten spazieren gehen können. „Das ist besser, als den ganzen Tag vorm Monitor zu sitzen“, sagt Schulleiter Erhard Parduhn. Auch für ihn beginnt das Lesen und miteinander sprechen im Elternhaus. „Oft aber nehmen sich Eltern viel zu wenig Zeit dafür. Digitale Medien werden Büchern bevorzugt. Dabei brauchen Kinder Bücher, um zu träumen und eigene Gedanken zu entwickeln.“
Das Lesen von Büchern macht emotional reicher und lässt tiefer denken. Das ist wissenschaftlich bestätigt. Bücher wecken Gefühle, fördern die Sprache, bringen neue Einsichten und helfen Texte etwa auch kritisch zu analysieren. Kurzum: „Lesen ist für den Geist das, was Gymnastik für den Körper ist“, wie der englische Dichter Joseph Addison einst trefflich bemerkte. uk
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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