Ausstellung „Der naive Krieg“ auf der Zitadelle
Wenn Soldaten Kunst produzieren

Eine Soldatenfigur aus Holz. | Foto: Christian Schindler
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Im Zeughaus auf der Zitadelle Spandau ist noch bis zum 5. Januar 2020 die Ausstellung „Der naive Krieg. Kunst, Trauma, Propaganda“ zu sehen.

Ein wenig wirkt es, als habe jemand für die Ausstellung Kinderzimmer früherer Zeiten ausgeräumt. In Vitrinen stehen Spielzeug-Soldaten, Holzflugzeuge und kleine Panzer. Gemälde von Seeschlachten sind ergänzt von Schiffsmodellen. Die Produzenten dieser Gegenstände waren jedoch keine Handwerker oder Fabriken, die Spielzeuggeschäfte belieferten. Es waren Soldaten, die mit der Herstellung dieser Nachbildungen ihre Erlebnisse verarbeiteten.

Der Professor an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, Georg Barber, der als Künstler und Illustrator auch unter dem Namen ATAK bekannt ist, ersteigerte vor einigen Jahren im Internet das roh ausgeführte Modell eines Kriegsschiffs. Er war der einzige Bieter und bekam es daher für wenig Geld. Beim Auspacken überraschte ihn dann doch die künstlerische Kraft des Objektes. Inzwischen hat Barber eine Sammlung von mehr als 4000 Gegenständen angelegt, die Menschen in Kriegszeiten und als Reaktion auf diese angefertigt haben.

Spielzeug und Kampf
gehören seit langem zusammen

Vieles davon ist jetzt auf der Zitadelle zu sehen. Die Assoziation zum Spielzeug kommt nicht von ungefähr. Fanden sich in den Zimmern insbesondere von Jungen früher Nachbildungen von Soldaten aus Zinn und später Plastik, ist die Gewaltdarstellung im Kleinformat auch heute nicht aus der Kinderwelt verschwunden. Da sind es oft Gestalten aus Comics und Weltraumserien, die ihre Plastikwaffen aufeinander richten oder virtuell über die Spielkonsole gesteuert Schlachten schlagen.

Das Rollenverständnis von Jungen als heranwachsenden Kämpfern verband sich bis weit ins 20. Jahrhundert mit der Propaganda von Nationalstaaten, die ihre Bürger auf wirkliche Kriege einschwor und damit sehr erfolgreich war. Ein Beispiel ist das Werk des Marinemalers Hans Bohrdt, der eine Szene aus einem Seegefecht zwischen Briten und Deutschen vor den Falkland-Inseln im Dezember 1914 heroisch überhöhte. Im Mittelpunkt steht ein Matrose auf dem Wrack eines untergehenden Schiffes. Selbst schon von einer Welle fast verschlungen, reckt er trotzig einem feindlichen Schiff in der Ferne die kaiserliche Reichskriegsflagge entgegen. Das Original gilt schon seit 1916 als verschollen. Das Motiv überlebte aber weit verbreitet als Postkartendruck und animierte zahlreiche Kopisten. Barber machte Nachbildungen bis ins Jahr 2007 ausfindig.

Kritik an unkommentierter Ausstellung

Als Barber testweise Stücke aus seiner Sammlung an seiner Hochschule zeigte, kritisierte eine Besucherin, dass die Stücke den Krieg unkommentiert abbildeten und verherrlichten. Dabei stehen sie eher für eine Sprachlosigkeit angesichts erlebten Grauens. Nachdem Barber das 1949 gemalte Kartonbild „Schlachtschiffe im Gefecht“ eines Kurt Waldemar Effgen (1925 – 1992) erworben hatte, bat er dessen Sohn um weitere Informationen. Er erfuhr, dass Effgen von 1942 bis 1945 Marinesoldat war. Schon zum Dienstgrad seines Vaters konnte der Sohn nur Vermutungen anstellen. Zudem vermutete er, dass die Hobbies seines Vaters, Malerei und Schiffsmodellbau, ihm halfen, „traumatisierende Kriegserlebnisse“ besser zu verarbeiten. So „sprechen“ viele Exponate indirekt über die Erlebnisse ihrer Schöpfer, die selbst gegenüber Familie und Freunden schwiegen.

Als Künstler hat Barber das Thema distanzierend eingeordnet. Er hat eine Diorama-Platte mit Spielzeug-Soldaten aufgestellt. Wer genau hinsieht, bemerkt, dass in dem aus dem Jahr 2017 stammenden Werk „Grüße aus dem Felde“ jede Figur beschädigt ist.

Die Ausstellung „Der naive Krieg“ ist bis zum 5. Januar 2020 freitags bis mittwochs von 10 bis 17 Uhr und donnerstags von 13 bis 20 Uhr zu sehen im Zeughaus auf der Zitadelle Spandau, Am Juliusturm 64. Der Eintritt kostet den Zitadellen-Eintritt von 4,50 Euro (ermäßigt 2,50), der zum Besuch aller Museen auf der Zitadelle berechtigt. Empfehlenswert ist der gleichnamige Katalog (Verlag Antje Kunstmann, München, 154 Seiten, ISBN 978-3-95614-267-3, 25 Euro).

Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

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