Heimatkundler sammeln historische Dokumente für Ausstellung im Militärhistorischen Museum in Kladow
Wie der Luftkrieg zufällig auf einer Schallplatte "landete"
Im Büro der Heimatkundlichen Vereinigung Spandau 1954 an der Eiswerder Straße 18 laufen die Vorbereitungen für eine große Ausstellung im Militärhistorischen Museum Flugplatz Berlin-Gatow zum Luftkrieg auf Hochtouren.
Eine unscheinbare Schallplatte könnte zum wichtigsten Exponat der Schau werden. Die Scheibe besteht nicht aus dem gewöhnlichen Vinyl, aus dem die Tonträger vor dem Aufkommen der CDs waren. Mit dieser Scheibe wurden in den 1940er Jahren Geräusche und Stimmen für Radiosendungen aufgezeichnet. Im Jahr 1943 lag sie gerade in einer entsprechenden Apparatur im Haus des Rundfunks an der heutigen Masurenallee, als ein Bombenalarm die Mitarbeiter in die Luftschutzkeller des Senders zwang. Sie vergaßen das Gerät auszuschalten, und so zeichnete es die Geräusche eines Bombenangriffs auf.
Die Aufnahme dürfte nicht nur deswegen ein seltenes Dokument sein, weil nur Sendeanstalten und Musikproduzenten über diese Technik verfügten, sondern auch, weil die Nationalsozialisten die Dokumentation der Bombenangriffe bei Todesstrafe untersagt hatten. „Sie wollten schließlich nicht öffentlich machen, dass sie entgegen ihrer Propaganda nicht in der Lage waren, die Zivilbevölkerung zu schützen“, sagt Karl-Heinz Bannasch, erster Vorsitzender der Heimatkundlichen Vereinigung Spandau 1954. Schon wer rauchende Trümmer fotografierte, riskierte sein Leben.
Bank "durch Feindeinwirkung zerstört"
Ein anderes Dokument ist eine briefliche Mitteilung der Commerzbank vom Februar 1944 an eine Spandauer Kundin, dass die Filiale an der Carl-Schurz-Straße 37 „durch Feindeinwirkung zerstört“ worden sei, der Tresor jedoch standgehalten habe. Dieser entbehre jedoch nun „des Schutzes des Gebäudes darüber“. Der Kundin wird empfohlen, falls sie das Fach weiter mieten wolle, zu prüfen, ob die darin enthaltenen Werte tatsächlich unversehrt geblieben seien.
Die Aufnahme des Angriffs wird in der Ausstellung, die am 7. Mai eröffnet werden soll, zu hören sein, eventuell in einer Endlos-Schleife. Zur Konzeption der Ausstellung erklärt Bannasch, dass es gerade beim Bombenkrieg wichtig sei, Ursache und Wirkung darzustellen. Bis heute missbrauchen Rechtsradikale die alliierten Bombenangriffe auf Deutschland im Zweiten Weltkrieg als Mittel, die Verbrechen der Nationalsozialisten zu relativieren und vergessen zu machen, dass der Krieg von Deutschland begonnen wurde.
Einschusslöcher im Ortseingangsschild
Durch die Kooperation mit der Heimatkundlichen Vereinigung erschließt sich dem Militärhistorischen Museum Flugplatz Gatow nicht nur fundiertes Wissen zur regionalen Geschichte. Sie ermöglicht auch den Zugang zu Exponaten, die sonst kaum zugänglich sind. Die erwähnte Schallplatte befindet sich in Privatbesitz, da halfen Kontakte vor Ort. Aus dem Fundus der Heimatkundler selbst wiederum stammt ein Spandauer Ortseingangsschild von der Heerstraße mit vielen Einschusslöchern. Es zeugt von Kämpfen in Spandau zu einer Zeit, als das Berliner Zentrum längst von sowjetischen Soldaten besetzt war und deutsche Einheiten versuchten, sich in Richtung amerikanischer oder britischer Armeen durchzuschlagen.
Noch immer sind die Heimatkundler die erste Adresse, wenn zum Beispiel bei Wohnungsauflösungen Dinge gefunden werden, die Auskunft geben über Geschichte. So kam kürzlich eine Sammlung aus Münzen und Geldscheinen aus der Zeit der Hyperinflation der 1920er Jahre zu den Heimatkundlern. Mit ihr ließe sich eine Zeit illustrieren, in der ein Brot mehrere tausend Mark kosten konnte. Andererseits zeigten Geldscheine auch Pfennig-Werte. In Berlin gedruckt, zeigten sie auf den Rückseiten Berliner Ansichten, darunter auch Spandau.
"Hansi" ist im Dom Havelberg zu sehen
Ein Exponat aus den Beständen der Heimatkundler tourt seit Jahren durch die Lande und ist bis Juni an der sechsten Station der von den Heimatkundlern organisierten Ausstellung „Germania slavica“ im Priegnitz-Museum am Dom Havelberg zu sehen. „Hansi“ ist die Nachbildung eines slawischen Heiligtums, eines Pferdeschädels mit Hirschgeweih. Begonnen hatte diese Ausstellung 2016 im Spandauer Rathaus. Sie tourt und wirbt bis heute für die Zitadellenstadt.
Ab März bieten die Heimatkundler auch themenbezogene Führungen an. Eine wird den Begräbnisstätten in und an der Altstadt gewidmet sein, die heute längst vergessen sind. Wer sich für die Arbeit der Heimatkundler interessiert oder historische Dokumente für sie hat, kann sich melden unter 0178/ 312 07 30 oder unter www.geschichte-spandau.de.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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