Inge Gerner ist Gravurmeisterin
"Glas hat etwas Magisches"

Bei der Arbeit: Inge Gerner graviert am "Graveurzeug" Blumendekor in ein Weinglas.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Eisblumendekor? Gab’s das nicht früher? Genau, aber auch heute, ganz modern, ganz kreativ und von Hand. Wie das geht, zeigt Gravurmeisterin Inge Gerner vom 5. bis 7. April in ihrer „Glasgravur“ auf der Zitadelle. Anlass sind die Europäischen Tage des Kunsthandwerks.

Eisblumen am Fenster kennt im Zeitalter der Isolierglasscheibe kaum einer mehr. Aber Moment. Eisblumen auf der Küchenschranktür bei Oma, die gibt es noch. Bloß, wie hat man das damals gemacht? Und kann das jeder selber machen? „Man kann“, sagt Inge Gerner. „Bei mir in der Werkstatt.“ Dazu braucht es nur ein Stückchen Glas oder Spiegel. Dazu eine halbe Stunde Handarbeit und etwas Trockenzeit für den Leim – und fertig ist das persönliche Eisblumen-Schmuckstück. Soso, das will die Besucherin jetzt aber genauer wissen. Inge Gerner ist schließlich Gravurmeisterin und liebt es anspruchsvoll. „Natürlich ist eine Glasgravur in so kurzer Zeit nicht zu schaffen“, sagt sie. „Aber mein Workshop ist ja für Laien gedacht und soll neugierig machen.“ Außerdem sind die Eisblumen keine Gravur im klassischen Sinn, sondern eine Veredlungstechnik. Eine sehr alte zwar, aber nicht so aufwendig. 

"Man braucht nur Geduld,
mehr nicht"

Was es braucht, ist eine matte Oberfläche und losen Schmirgel, sagt Inge Gerner. Und schon ist sie mittendrin im Erklären. Auf einem kleinen Facetten-Spiegel zeigt sie, wie es geht. Mit einem Stößel verreibt sie den flüssigen Schmirgel in kleinen Kreisen auf der Glasoberfläche. Das geht einige Minuten so. „Mal gucken, ob das Glas schon matt ist.“ Inge Gerner spült es unter dem Wasserhahn ab. „Der ist noch nicht fertig.“ Also kreist sie weiter. Irgendwann ist es dann soweit. Das Glas ist nicht mehr durchsichtig, sondern gleichmäßig matt. „Streichen Sie mal rüber, das fühlt sich ganz seidig an.“ Sie hat recht. In der Zwischenzeit ist der Knochenleim im Wasserbad erwärmt. Auf maximal 55 Grad, sonst geht die Eiweißverbindung kaputt, weiß die 56-Jährige. Dann pinselt sie den bernsteinfarbenen Leim aufs mattierte Glas, wo er sich sofort festsaugt. Jetzt heißt es wieder warten. „Der Leim zieht sich jetzt zusammen und bildet schließlich das Eisblumenmuster.“ Je langsamer er trocknet – im Schnitt eine halbe Stunde – desto schöner wird das Bruchbild. „Man braucht nur Geduld, mehr nicht.“ In der Praxis verwendet Inge Gerner diese Veredlungstechnik auf Hohlglas, also auf Trinkgläsern, Vasen oder Lampenleuchtern.

Mit ihrer „Glasgravur“ ist Inge Gerner schon seit 1996 auf der Zitadelle. Zusammen mit ihrem Mann graviert sie Gläser, Vasen, Dekorglasscheiben für Türen, Glas-Schilder, macht Glaskunst und vieles mehr. Lieblingsmotive hat sie nicht. Sie mag Blumen ebenso wie Tiere oder Portraits – wie das von Friedrich dem Großen oder dem 81-jährigen Opa, dem der Enkel ein Geschenk machen wollte. Mit 17 hat Inge Gerner, die aus Mosbach bei Heidelberg stammt, aber schon lange in der Neustadt wohnt, das erste Mal graviert. Eigentlich wollte sie Goldschmiedin werden. „Aber ich hätte die Privatschule nicht bezahlen können.“ Das Arbeitsamt bot ihr dann eine Ausbildung zum Glasgraveur an. Seitdem kann sie es nicht mehr lassen. „Glas hat für mich etwas Magisches. Es ist weich, und ich arbeite gern damit.“

In der Werkstatt ist ihr Hauptwerkzeug das „Graveurzeug“, eine Maschine, die ein bisschen was von einer Nähmaschine hat. Am „Graveurzeug“ wird das Glas unter einem wassergekühlten, rotierenden Gravurrädchen geführt. Das eignet sich besonders für filigrane Gravuren wie Namen oder Blumendekor. Bei der Sandstrahl-Technik arbeit Inge Gerner mit individuellen Schablonen. Diese Technik eignet sich vor allem für großformatige Beschriftungen oder Logos. Für die Schreibschrift nutzt die Graveurin die „Biegsame Welle.“ Das ist ein kleiner, elektrogetriebener Diamantfräskopf, ähnlich wie beim Zahnarzt.

Wissen an Azubine weitergegeben

Ihr traditionelles Handwerk bringt Inge Gerner auch dem Nachwuchs bei. Momentan hat sie eine Azubine. Was man für diesen Beruf mitbringen muss? „Man sollte gut zeichnen und präzise arbeiten können, gute Augen haben, geduldig und kreativ sein.“ Inge Gerner hat das alles. Sonst wäre sie keine Meisterin.

Die „Glasgravur“ ist am 5. April von 9 bis 17 Uhr geöffnet, am 6. und 7. April von 10 bis 17 Uhr. Den Workshop gibt es am Sonnabend, 6. April, von 11 bis 16 Uhr, am Sonntag, 7. April, von 13 bis 16 Uhr. Ort: Zitadelle Spandau, Am Juliusturm 64, Kontakt: 35 40 24 05. Alle Teilnehmer der Kunsthandwerkstage im Überblick: www.berlin.kunsthandwerkstage.de. So sehen die Eisblumen auf Gläsern aus.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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