Warten auf eine Entscheidung zur Straßenbahn
Wie sollen mehr als 7000 Menschen täglich von der Insel Gartenfeld kommen?
Die Insel Gartenfeld ist das größte der Spandauer Bauprojekte. Mehr als 3700 neue Wohnungen sind geplant für rund 7500 Menschen. Dazu kommen Gewerbe, Kultur, soziale Einrichtungen, auch ein Schulzentrum. Insgesamt ein Bauvolumen von rund 900 000 Quadratmetern und eine Mega-Investition von etwa 2,4 Milliarden Euro.
Startschuss soll im Herbst kommenden Jahres sein. Vor diesem Termin liegen aber noch die Beteiligung der Öffentlichkeit und das Festsetzen des Bebauungsplans durch einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung voraussichtlich im August 2022. Ob sich der Zeitplan angesichts einiger offener Fragen einhalten lässt, ist offen.
Das Hauptproblem bleibt die ungenügende Anbindung der Insel Gartenfeld an den öffentlichen Nahverkehr. Von einem "Verkehrschaos mit Ansage" spricht der scheidende SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz, in dessen bisherigem Wahlkreis das Mega-Projekt liegt. Seit ungefähr zehn Jahren werde über eine Bebauung von Gartenfeld geredet, wie die Menschen dort aber hin- oder wegkommen sollen, wäre bis heute in vielen Bereichen noch immer mehr als vage. Die Verantwortung dafür, so sagte Buchholz, wolle er nicht allein bei der aktuellen Grünen-Verkehrssenatorin Regine Günther abladen. Auch zuvor habe es in unterschiedlichen Konstellationen Versäumnisse gegeben. Fakt sei aber, dass in den vergangenen Jahren wichtige Entscheidungen nicht gefällt wurden.
Was er konkret damit meint, zeigte sich sehr anschaulich vor wenigen Wochen bei einer Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses des Abgeordnetenhauses. Sie kann übrigens auf Youtube abgerufen werden. Der Komplex Gartenfeld war der letzte Tagesordnungspunkt der dreistündigen Sitzung und beanspruchte rund ein Drittel der gesamten Zeit. Vor allem Daniel Buchholz hatte das Thema erneut auf die Tagesordnung gebracht und auch eine Beteiligung von Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese (B’90/Grüne) verlangt.
Es sei inzwischen geklärt, wo die Trasse für eine mögliche Straßenbahnverbindung über die Insel verlaufen soll, erklärte der Verkehrsstaatssekretär. Lange wurde darum gerungen, ob die Straßen im Norden oder im Süden fahren soll. Der südliche Trassenverlauf scheint jetzt das Rennen gemacht zu haben. Aber selbst wenn der Trassenverlauf jetzt klar sein sollte, heißt das nicht, dass dort auch im Jahr 2027, wenn Gartenfeld besiedelt wird, Straßenbahnen fahren. Die Tram käme frühestens zu Beginn der 2030er-Jahre, räumte Ingmar Streese ein. Ihre mögliche Streckenführung sei bisher noch nicht geklärt. Denn es gibt viele Ideen eines künftigen Straßenbahnnetzes nach und in Spandau. Daraus wurde aber bisher kein wirkliches Konzept erarbeitet.
Mitglieder des Ausschusses wollten wissen, warum diese Pläne noch nicht weiter seien. Dazu erklärte der Staatssekretär, dass vor allem die Diskussion um die Reaktivierung der Siemensbahn eine neue Situation herbeigeführt habe. Das Wiederherstellen der Siemensbahn ist ein relativ junges Projekt. Es kam durch die Pläne für den Siemens-Campus in Fahrt. Auf dem Siemens-Campus, der vis a vis der Insel Gartenfeld beginnt, sollen einmal bis zu 5000 Menschen leben. Die Siemensbahn soll 2029 fertig sein. Auch das ist noch lange hin. Gemessen aber an anderen Berliner Verkehrsplänen bedeutet dies schon fast erhöhtes Tempo. Über den Endbahnhof Gartenfeld hätten dann auch die Inselbewohner, die im östlichen Bereich wohnen, einen einigermaßen nahen Zugang zum schienengebundenen und schnellen Nahverkehr.
Vor allem der Bezirk Spandau setzt sich für eine Verlängerung der Siemensbahn über den Bahnhof Gartenfeld hinaus ein. Die Trasse soll einen Halt auf der Insel bekommen und dann unter der Havel an das gegenüber liegende Ufer nach Hakenfelde geführt werden. Baustadtrat Frank Bewig (CDU) machte dies als Gast der Ausschusssitzung noch einmal deutlich.
Dieses Vorhaben weiter zu trassieren, wäre gerade jetzt relativ einfach gewesen, erklärte Daniel Buchholz. Auf Gartenfeld würden nur wenige denkmalgeschützte Gebäude stehen bleiben. Somit gebe es ziemlich freien Planungsraum, in den auch gleich eine künftige S-Bahnstrecke integriert werden könnte.
Auch hinsichtlich des Verlaufs der Straßenbahntrasse brachte der SPD-Abgeordnete eine Variante ins Spiel. Sie könnte am U-Bahnhof Haselhorst beginnen und über die Daumstraße geführt werden. Dort gäbe es bereits Vorhalteflächen für eine eventuelle Straßenbahn.
Die Route könnte dann über die Insel und von dort weiter in Richtung Urban Tech Republic auf dem ehemaligen Flughafen Tegel verlaufen. Dort ist ohnehin ein Straßenbahndepot geplant. Es gäbe also Möglichkeiten, nur müssten die irgendwann einmal festgelegt werden. Frank Bewig stimmte dem zu. Er sei zwar kein Fan der Straßenbahn, sagte der Stadtrat. Aber besser sie komme als gar nichts.
Wenn es tatsächlich zum Bau einer Straßenbahntrasse kommt, dann mit Verspätung, stellte Ingmar Streese fest. Bis dahin müsse mit Zwischenlösungen gearbeitet werden wie neue und vorhandene Buslinien, die über die Insel verkehren, andere Möglichkeiten wie Shuttleservice, Berlkönig, Mobility Hubs und eine optimale Fahrradinfrastruktur. Denn auf der Insel soll es kaum Fahrzeugverkehr geben. Für private Autos sind nur zwei Parkhäuser am Rand vorgesehen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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