Warum bereits vier Planungsversuche fehlschlugen
Die Schau kommt zum richtigen Zeitpunkt. Denn derzeit wird wieder viel diskutiert über zwei große Neubauprojekte in Heinersdorf. Einerseits will ein Investor auf einer Gewerbefläche einen Lebensmittel-Großhandel errichten, andererseits planen Gesobau und bbg Berliner Baugenossenschaft in einer ehemaligen Gärtnerei an der Iduna- und Neukirchstraße ein neues Wohnquartier. Die Flächen werden einzeln geplant, ein städtebauliches Konzept für ganz Heinersdorf gibt es nicht. Es gibt noch nicht einmal eine Verkehrslösung für den Ortsteil. Seit vielen Jahren wird nach Ideen gesucht, wie der Verkehr durch das Ortszentrum verringert werden kann. Eine Untersuchung wurde vom Bezirk in Auftrag gegeben. Vor fünf Jahren stellte man die Ergebnisse den Heinersdorfern vor. Doch gleich danach zog der Senat das Verfahren an sich. In Heinersdorf habe man es mit überregionalen Verkehrsströmen zu tun, hieß es als Begründung. Seitdem hört man kaum noch etwas von den Ideen, mit denen sich die Verkehrsfachleute des Senats beschäftigen. Eine Lösung ist nicht in Sicht.
Dass die Heinersdorfer ihren Ortsteil als "ewig verhinderten Kiez" und als einen Ort der "städtebaulichen Improvisation" ansehen, verwundert da nicht mehr. Die neue Ausstellung macht das eindrucksvoll deutlich. Sie zeigt, wie und warum bisherige Konzepte einer städtebaulichen Entwicklung in Heinersdorf fehlschlugen. Erste Überlegungen gab es schon vor 100 Jahren. Seinerzeit war Heinersdorf ein aufstrebender Berliner Vorort. Die Gemeinde wurde an das Straßenbahnnetz angeschlossen. Alle 20 Minuten konnte man aus dem dörflichen Idyll mit öffentlichen Verkehrsmittel zum Alex fahren. In dieser Aufbruchsstimmung beschloss die Gemeinde 1912 einen ersten Bebauungsplan. Die ersten neuen Straßen außerhalb des Ortskerns wurden angelegt. Erste neue Häuser gebaut. Aber dann kam der Erste Weltkrieg. Es wurde nicht weitergebaut. Der erste Versuch einer geordneten städtebaulichen Entwicklung war gescheitert.
Danach entschied die Gemeinde, den Bebauungsplan von 1912 komplett zu ändern. Es sollte kleinteiliger gebaut werden. Man gründete eigens eine Gartenstadt Heinersdorf AG. Diese errichtete auch die ersten fünf Reihenhäuser. Dann kam die Weltwirtschaftskrise. Die AG ging pleite. Der zweite Versuch stand vor dem Aus.
Den dritten wollten die Nationalsozialisten unternehmen. Sie planten, Kleingartensiedlungen zu beseitigen. Dort sollten zunächst 563 neue Wohnungen entstehen. Umgesetzt wurde auch diese Planung nicht, weil der Zweite Weltkrieg begann. Nach dem Krieg war die Ost-Berliner Innenstadt stark zerstört. Neue Wohnungen wurden dringend gebraucht. Als Neubaugebiet in der noch jungen DDR wurde Heinersdorf auserkoren. 1961 legten die Planer ein Baukonzept vor. Wohnungen für 26 850 Menschen sollten entstehen. Doch dann sah man sich den Baugrund näher an. Das Grundwasser stand viel zu hoch. Es wurde klar: Der Boden würde nicht ohne Weiteres eine Plattenbausiedlung tragen. So behielt die Siedlung noch viele Jahre den Status "in Planung", aber umgesetzt wurde nichts davon. Damit segnete auch der vierte Versuch das Zeitliche.
Die Ausstellung über den verhinderten Kiez ist der Geschichtswerkstatt der Zukunftswerkstatt Heinersdorf zu verdanken. "Deren Mitglieder fragten sich, warum es so viele unterschiedliche Haustypen und städtebauliche Differenzen im Ortsteil gibt", sagt die Vorsitzende des Bürgervereins, Sandra Caspers. "In einem Projekt begannen sie, die Hintergründe zu recherchieren." Unterstützt wurde die Vorbereitung der Ausstellung durch die Jugend- und Familienstiftung Berlin.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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