„Die Lebensbedingungen waren recht einfach“
Hellersdorf. Das Gut Hellersdorf steht gegenwärtig im Fokus. Unter anderen zeigt das Bezirksmuseum eine Ausstellung zur Bauhistorie. Über das Leben und die Menschen auf dem alten Gut hat hingegen kaum jemand bessere Kenntnis als der frühere Schornsteinfegermeister Bernd Müller.
Müller war von Mitte der 1960er-Jahre bis 1997, als er in Rente ging, für das Gut Hellersdorf zuständig. Dabei lernte er Menschen kennen, die seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts auf dem Gutsgelände wohnten. Und irgendwie scheint auf dem unter Denkmalschutz stehenden Gelände die Zeit stehen geblieben zu sein. „Das sieht doch noch immer aus wie eine Gerümpelbude“, sagte der 84-Jährige bei einem Treffen vor wenigen Tagen auf dem Gutsgelände.
Mit dem Gut ist der Mahlsdorfer auf besondere Weise verbunden. Über Jahre hatte Müller alte, historische Öfen und Kessel gesammelt, damit die Erinnerung an sein Handwerk nicht verloren geht. In einem der schlichten, nicht mehr vermietbaren Wohnhäuser, einer Landarbeiterkate aus Feldsteinen nahe der Einfahrt zum eigentlichen Gutsgelände, konnte er 1988 sein Feuerstättenmuseum einrichten.
Die Bewohner des Hauses kannte Müller gut – nicht nur als Schornsteinfeger. Er ging bei ihnen ein und aus, war sowohl Freund als auch Zuhörer. Und so erfuhr er aus ihren Erzählungen über das Leben auf dem Gut in vergangenen Zeiten. „Man kann sich heute kaum noch vorstellen, unter welch einfachen Bedingungen die Menschen hier gewohnt haben“, erklärt er.
In dem Haus wohnten einmal vier Familien, jede hatte nur eine Kammer, eine Küche und ein Wohnzimmer, das auch als Schlafraum diente. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es noch ein offenes Herdfeuer. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurden erstmals ein Herdblock eingelassen und Rauchgasabzüge in der Wand verlegt. Wasseranschlüsse und das Klo befanden sich im Garten.
1997 musste Müller sein Feuerstättenmuseum aufgeben, das inzwischen nach Mahlsdorf in der Melanchthonstraße 65 umgezogen war. Berlin hatte kein Interesse an seiner Sammlung. So wanderte sie in die sächsische Gemeinde Knappenrode, wo sie bis heute Teil eines Industriemuseums in einer ehemaligen Brikettfabrik ist.
Das zuletzt Volkseigene Gut Hellersdorf stellte Anfang der 1990er-Jahre den landwirtschaftlichen Betrieb ein. Auf dem eigentliche Gutsgelände vermietet das Land ehemalige Stallungen und andere Gebäude an Gewerbetreibende. Die Häuser an der Gutseinfahrt, in denen insgesamt nur noch zwei Familien wohnen, gehören der Gesobau. Im ehemaligen Feuerstättenmuseum hatte noch bis 2014 eine Künstlerin ihr Atelier. Inzwischen steht es leer.
Seit dem vergangenem Jahr prüft das städtische Wohnungsbaunternehmen Gesobau das Gut zu kaufen und die ehemaligen Wohnungen der Gutsmitarbeiter zu sanieren. Vor diesem Hintergrund gestaltete das Bezirksmuseum eine Ausstellung zur Geschichte des Gutes. Sie ist in Haus 1, Alt-Marzahn 51, noch bis Sonntag, 19. März, Mo bis Fr/So 11 - 17 Uhr zu sehen. hari
Autor:Harald Ritter aus Marzahn |
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