In „Rastplatz Marzahn“ geben Oberschüler den verfolgten Sinti und Roma im Bezirk ihre Stimme
Hellersdorf. Mit dem Stück „Rastplatz Marzahn“ leisten Schüler der Ernst-Haeckel-Schule einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte des Bezirks. Sie setzen sich dabei mit dem Schicksal der Sinti und Roma auseinander, die von den Nazis aber 1936 nahe des Parkfriedhofs Marzahn interniert wurden.
Es ist eine schwierige und beklemmende Geschichte. Eine Schwierigkeit daran ist, dass es nur noch wenige Zeitzeugen gab, die von der Zeit berichten konnten. Einer der wenigen war Otto Rosenberg, der spätere erste Vorsitzende des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der Sinti und Roma. Auf seinen Erinnerungen beruhen im Wesentlichen die Texte im Stück.
Parallelen zum Holocaust
Das Beklemmende sind die Parallelen zu dem Massenmord an den Juden während der Nazizeit. Auch Sinti und Roma wurden in Deutschland zunächst stigmatisiert, dann interniert und schließlich in den gleichen Massenvernichtungslagern umgebracht. „Rastplatz Marzahn“ bringt diesen anderen Holocaust vielstimmig zur Sprache. Es sind vor allem die Stimmen der Kinder aus dem Marzahner „Zigeunerlager“, die zu Gehör kommen. In ihnen reflektiert sich das maßlose Entsetzen, plötzlich in Baracken und Wagen auf stinkenden Rieselfeldern eingesperrt zu sein. Neben dem Leiden der Kinder geben die Erzählungen von Misshandlungen, denen ihre Eltern und andere Erwachsene ausgesetzt sind, dem Schrecken ein Gesicht.
Außer dem staatlich verordneten Hunger in dem Lager ist für die Kinder besonders die Erfahrung einer neuen Ausgrenzung prägend. Auch sie werden von Rasseforschern befragt und vermessen. Sie verstehen zunächst nicht, was mit ihnen geschieht. Schließlich erkennen sie, dass ihnen Stück für Stück das Menschsein genommen wird. Am Ende folgt der Abtransport zur Massenvernichtung nach Auschwitz.
Die wenigen, die am Leben bleiben, müssen auch nach der Befreiung um Existenz und Anerkennung kämpfen. Die einstigen Peiniger bleiben meist unbehelligt. Es ist beachtlich, wie die jungen Laiendarsteller der Ernst-Häckel-Schule sich in die ihnen fremden Erfahrungen einfühlen. Der Ton in den Texten wird genau getroffen, das zu Sagende auf den Punkt gebracht. Mitglieder der Theatercompagnie „Spreeagenten“ standen der Schauspielgruppe der Ernst-Haeckel-Schule bei der Inszenierung zur Seite. Regisseurin Susanne Chrudina hat die Erinnerungsteile in kurzen Szenen zu einem Puzzle zusammengesetzt.
Spielerische Elemente
Mithilfe von Kreidezeichnungen setzt sie in ihrer Inszenierung dem Grauen etwas Spielerisches entgegen. Die Zeichnungen werden während der Aufführung von den Schülern auf den Boden gemalt und immer wieder ergänzt. Zudem lässt Chrudina das Geschehen auf der Bühne filmen und projeziert es auf eine Leinwand an der Rückseite des Aufführungssaals. Mit diesem Mittel gibt sie dem Schrecken eine zweite, eine weitere Dimension. hari
Autor:Harald Ritter aus Marzahn |
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